Anklage gegen Ex-VW-Chef Winterkorn: Der Herr der Spaltmaße
Pedant und Autowahnsinniger: Martin Winterkorn war der oberste Ingenieur bei Volkswagen – und soll nun wegen Dieselgate angeklagt werden.
Er war der, der in neun Jahren auf dem VW-Thron die Zahl der Beschäftigten um 140.000 erhöhte, Umsatz und Gewinne verdoppelte. Jetzt, wo gerade die Produktion des Golfs der achten Generation wegen Technikmurks immer weiter nach hinten verschoben werden muss, vermissen viele bei Volkswagen einen wie Martin Winterkorn. Der musste im September 2015 zurücktreten, als der Dieselskandal bekannt wurde. Bis heute knabbert der weltgrößte Autohersteller daran, „Dieselgate“ hat den Konzern bislang 29 Milliarden Euro Strafen und Entschädigungen gekostet.
Am Montag erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen den 71-Jährigen und vier weitere Manager wegen schweren Betrugs, Untreue und unlauteren Wettbewerbs. Dabei vermuten die Ermittler offenbar nicht, Winterkorn habe den Einbau von illegalen Abschalteinrichtungen, die die Emissionswerte von Dieselautos auf dem Prüfstand verringerten, selber angewiesen.
Allerdings soll er in einer hausinternen Mail im Mai 2014 davon erfahren und es unterlassen haben, die rechtswidrigen Manipulationen an Dieselmotoren den zuständigen Behörden in Europa und den USA zu melden. Zudem habe Winterkorn im November 2014 ein Softwareupdate eingeführt, um den wahren Grund für die erhöhten Stickoxidwerte der Fahrzeuge zu verschleiern. So sehen das zumindest die Staatsanwälte in Braunschweig.
Pensionär mit 3.100 Euro Betriebsrente – täglich
Er habe zu akzeptieren, dass nun sein „Name verbunden ist mit der sogenannten Dieselaffäre“, sagte Winterkorn im Januar 2017 mit verschränkten Armen in einer Befragung des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Auf diese hatte er sich minutiös vorbereitet. Dies ergab eine Liste mit 70 Fragen und Antworten, die Fahnder bei der Durchsuchung in Winterkorns Münchner Wohnhaus (er war im Aufsichtsrat des FC Bayern) in einem schwarzen Koffer fanden.
Darin gab es Auskunft darüber, was er als Pensionär mit 3.100 Euro Rente am Tag zu Entschädigungen für die geprellten VW-Kunden in Deutschland zu sagen hatte. Und darüber, wie es dazu kam, dass er sich von VW in seine Villa eine Heizung für 60.000 Euro in seinen Gartenteich einbauen ließ, damit es seinen Kois nicht zu kalt wurde. Dabei verdiente Winterkorn bis zu 17 Millionen Euro im Jahr.
Fast vier Jahre nach Auffliegen des Skandals ermittelt nun allein die Staatsanwaltschaft in Braunschweig gegen 42 Beschuldigte in Sachen Dieselgate. Auch der einstige Audi-Chef Rupert Stadler saß wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Einer seiner Vorgänger: Winterkorn. Der arbeitete von 1981 bis 2007 bei Audi, das als Keimzelle des Skandals gilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen