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Neue Vielfalt unter Demokraten

In der Mitte-Links-Partei der USA laufen sich die HerausforderInnen von Donald Trump warm. Darunter sind neben alten Bekannten ein Afghanistan-Veteran mit LGBTQ-Sympathien, ein libertärer Macho und eine Esoterikerin

Aus New York Dorothea Hahn

Sie sehen aus wie ein Spiegelbild der US-Gesellschaft, ihr Alter rangiert von 37 bis 77, sie sind weiß, Schwarz, Latino und asiatisch, unter ihnen sind mehr Frauen denn je, sowie ein bekennender Schwuler. Sie kommen aus den Süd- und aus den Nordstaaten, sowie auffallend viele aus dem Fly-Over-Country zwischen den Küsten. Sie sind Abgeordnete, SenatorInnen, Bürgermeister sowie zwei Leute ohne jede politische Erfahrung. Und ihr programmatisches Spektrum reicht von konservativem Zentrismus bis hin zu Sozialdemokratie.

Mit seiner nationalistischen Politik hat Trump die linken Bewegungen im Land gestärkt

Anderthalb Jahre vor den nächsten Präsidentschaftswahlen formieren sich die KandidatInnen der Demokratischen Partei. Aktuell sind es 16 DemokratInnen, die ihre Kandidatur angemeldet haben. Weitere könnten in nächster Zeit hinzukommen.

Die nie dagewesene Vielfalt bei den DemokratInnen bietet Leuten ein Forum, die bislang nicht in der Spitzenpolitik mitgespielt haben. Zugleich zeigt sie, wie breit gefächert und widersprüchlich die Positionen im Inneren der Partei sind. Sie steht auch in scharfem Kontrast zu der Republikanischen Partei, in der sich alles um einen Mann dreht. Donald Trump hatte seine Kandidatur für 2020 bereits am Tag seines Amtsantritts im Januar 2017 angemeldet und seither jede innerparteiliche Konkurrenz blockiert. Nur ein einziger anderer Republikaner, der national kaum bekannte ehemalige Gouverneur von Massachusetts, Bill Weld, wagt es bislang, gegen Trump anzutreten.

Seit Clintons Niederlage hat sich die Demokratische Partei zumindest äußerlich verändert. Dabei dienten zwei Männer als Geburtshelfer: Der eine ist Bernie Sanders. Er hat die politischen Themen schon im Wahlkampf 2016 neu gesetzt. Seine Slogans, die Clinton noch „zu radikal“ nannte – von der Krankenversicherung für alle bis zur Abschaffung von Studiengebühren an staatlichen Universitäten – sind heute Standard. Fast alle 16 KandidatInnen für 2020 haben sie in ihr Programm geschrieben. Selbst Kirsten Gillibrand (52) aus New York und Cory Booker (49) aus New Jersey, mit bekannter Nähe zu unternehmerischen Lobbys, schlagen jetzt einen kritischen Ton gegen das „große Geld“ an.

Star Bernie Sanders

Demokraten nutzen ihre neue Macht im Repräsentantenhaus

Streit um Steuererklärung

Die US-Demokraten wollen Einblick in die Steuererklärungen von Präsident Donald Trump erzwingen. Der Vorsitzende des für Steuerrecht zuständigen Ausschusses, Richard Neal, fordert von der Steuerbehörde IRS die Übergabe der Unterlagen Trumps. Der Präsident erteilte dem umgehend eine Absage. Kongressabgeordnete von Trumps republikanischer Partei witterten hinter der Forderung einen neuen Anlauf der Demokraten für ein Amtsenthebungsverfahren. Neal will klären, in welchem Umfang die Steuerbehörde die Bescheide des Präsidenten prüfte und wie streng sie dabei vorging.

Demokraten wollen Mueller-Report

Die Demokraten stellen seit Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Der Justizausschuss will Justizminister Bill Barr notfalls per Mehrheitsbeschluss zur Herausgabe des vollständigen Abschlussberichts von Sonderermittler Robert Mueller zwingen. Das machte der demokratische Ausschussvorsitzende Jerry Nadler am Mittwoch deutlich. Zuerst setze man aber auf eine freiwillige Zusammenarbeit. Mueller war fast zwei Jahre der Frage nachgegangen, ob US-Präsident Donald Trump und sein Team während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 mit Moskau zusammengearbeitet haben, um die Wahl zu beeinflussen. Den Bericht übergab er inzwischen Justizminister Barr, der dem Kongress nur eine vierseitige Zusammenfassung vorlegte. Demnach fand Mueller keine Beweise für eine tatsächliche Zusammenarbeit Trumps mit Moskau oder auf Geheimabsprachen. Zu der Frage, ob Trump die folgenden Justizermittlungen behinderte, legte sich Mueller hingegen nicht fest. (afp)

Der zweite Geburtshelfer für das Gedrängel bei dem DemokratInnen ist Trump. Mit seiner nationalistischen und autoritären Politik hat er die linken Bewegungen im Land gestärkt. Und zugleich führt er vor, dass für das Amt des US-Präsidenten offenbar keine Qualifizierung nötig ist. Nach Trump kann sich jedeR in den USA dazu berufen fühlen, PräsidentIn zu werden. Der stärkste Mann im Rennen der DemokratInnen hatte dergleichen Entwertung des obersten Amtes im Staate nicht nötig. Bernie Sanders trat 2016 als Unbekannter gegen Hillary Clinton an. Aber dieses Mal kommt er als Star zurück. Heute steht er an der Spitze der größten Graswurzelbewegung links der Mitte und verkörpert den Wunsch vieler nach radikalen Veränderungen.

Anders als 2016 ist sein Thema nicht mehr nur die soziale Ungerechtigkeit in den USA, sondern auch Außenpolitik. „Bernies“ Wiedererkennungswert ist so hoch, dass er es sich als einziger erlauben kann, auf seinen Namen im Slogan zu verzichten. „Not me. Us“, heißt es bei ihm. Zu seinem ersten Wahlkampfmeeting im New Yorker Stadtteil Brooklyn waren die Warteschlangen viele Häuserblocks lang. Auf den T-Shirts von manchen Frauen war noch der alte Slogan zu lesen: „I am with her“. Sie hatten 2016 Clinton unterstützt und sich seither von deren zentristischem Kurs abgewandt.

Mit 77 Jahren ist Sanders der älteste Kandidat. Aber bei den Primaries von 2016 bekam er mehr Stimmen von jungen WählerInnen als Clinton und Trump zusammen. „Wir sollten unsere Entscheidung nicht nach Hautfarbe, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Alter fällen“, sagte Sanders in einem Radiointerview. Mit der richtigen Auswahl eineR VizepräsidentIn könnte er versuchen, seine Ausstrahlung zu vergrößern. Er könnte eine jüngere Person anwerben, vielleicht eine Frau aus einer Minderheit.

Zugleich aber konsolidierten sich jene Kräfte der Demokratischen Partei, die schon 2016 gegen Sanders opponiert haben: von der Wall Street über die großen privaten Medien bis hin zur Spitze des Parteiapparates. Die einzige andere Person vom linken Flügel der Demokratischen Partei hat 2016 Hillary Clinton den Vortritt gelassen. Als wollte sie wettmachen, was sie damals verpasst hat, eröffnete Elizabeth Warren (69) dieses Mal ihre Kampagne schon im Dezember 2018. Ihr Programm ist dem von Sanders in vielen Punkten ähnlich. Sie will strengere Auflagen und höhere Steuern für Unternehmen und schlägt institutionelle Reformen vor. Unter anderem plädiert sie dafür, das aus den Gründerjahren der USA stammende Wahlleutegremium abzuschaffen und die Direktwahl in das Weiße Haus einzuführen. Aber anders als Sanders ist Warren keine prinzipielle Kapitalismus-Kritikerin. Sie spricht von Reformen, er von „Revolution“. Im Gegensatz zu 2016, als Warren einen Fan-Kreis hatte, der sie vergeblich anflehte, zu kandidieren, ist es dieses Mal still um sie. Auch die Spenden strömen weniger.

Im Verhältnis zu den beiden Linken sind fast alle andere KandidatInnen gleich. Die meisten von ihnen sind durch die zentristische Schule der Partei gegangen. Gillibrand war Hillary Clintons Nachfolgerin als Senatorin für New York. Der Latino im Rennen und ehemalige Bürgermeister des texanischen San Antonio, Julián Castro (44), war Wohnungsminister von Barack Obama und galt eine Weile lang als potenzieller Vizepräsident von Hillary Clinton. Und Kamala Harris (54), die den Ruf einer knallharten Staatsanwältin hatte, bevor sie Justizministerin in Kalifornien und dann Senatorin für Kalifornien wurde, hat SpitzenmitarbeiterInnen von Clinton in ihre Kampagne geholt.

Aber sie sind auch deutlich jünger als Clinton und haben radikal andere Lebensläufe. Harris ist Tochter von ImmigrantInnen – ihr Vater kam aus Jamaica, ihre Mutter aus Indien. Castro ist Sohn einer alleinerziehenden Mutter und Chicano-Aktivistin. Und die weiße Gillibrand spricht oft von ihrer Rolle als Mutter von zwei Söhnen.

2020 gibt es für die verschiedenen Identitäten im Land eine große Auswahl als je zuvor. Jene, die eineN Schwarzen KandidatIn haben wollen, können zwischen Harris, Booker sowie dem Bürgermeister aus Florida, Wayne Messam wählen. Wer einen Latino will, hat Castro. Und wer eine Frau möchte, kann zwischen Gillibrand, Harris, Warren, der hawaiianischen Abgeordneten Tulsi Gabbard, der Senatorin aus Minnesota, Amy Klobuchar, sowie der esoterischen Buchautorin und Lebensratgeberin Marianne Williamson wählen. Für WählerInnen mit LGBTQ-Präferenz gibt es Pete Buttigieg. Der 37-jährige Bürgermeister des heruntergekommenen Provinzstädtchens South Bend in Indiana war ein Unbekannter, bis die Medien in der vergangenen Woche ihn und sein beeindruckendes Curriculum entdeckten – sieben Fremdsprachen, Veteran des Afghanistankriegs, Harvard-Abschluss.

Beto O’Rourke ist von einem anderen Kaliber. „Ich bin geboren, um dabei zu sein“, sagte der 46-jährige irischstämmige Texaner dem Magazin Vanity Fair. Er saß drei Legislaturperioden lang als Hinterbänkler, der oft mit den RepublikanerInnen stimmte, im Repräsentantenhaus und fiel dem nationalen Publikum erstmals bei den Midterms des vergangenen Jahres auf, als er versuchte, den Sitz des Republikaners Ted Cruz im US-Senat zu erobern. O’Rourke verlor. Aber in seiner Kampagne punktete er mit einem telegenen Stil. Er kombinierte eine jugendliche Aura mit einem vage libertären Programm – das von der Legalisierung von Cannabis-Konsum bis zur Abschaffung der ohnehin zurückhaltenden Regulierungen für die Wallstreet reicht – und witzelte wie Generationen konservativer männlicher Politiker vor ihm: „Meine Frau erzieht unsere drei Kinder, manchmal helfe ich ihr dabei.“

Für O’Rourke ging die Rechnung auf. Schon in den ersten 24 Stunden nachdem er sich als „Beto for America“ für 2020 anmeldete, sammelte er 6,1 Millionen Dollar ein – und übertrumpfte damit sogar Sanders. Die Medien machten O’Rourke zum Star. Politico nennt ihn „the real deal“. Und der radikal rechte Stephen Bannon behauptet, er sei der „best shot“, um gegen Trump zu gewinnen.

Doch sämtliche Hoffnungen auf Veränderung bei den DemokratInnen mit entweder einer Frau oder einer Person aus einer Minderheit oder mit einem jugendlichen Kandidaten oder jemandem aus dem progressiven Lager könnten sich zerschlagen, wenn jemand, der seit Jahrzehnten zu dem Parteiestablishment gehört, in das Rennen einsteigt. Joe Biden (76) war 36 Jahre lang Senator für Delaware und acht Jahre lang Obamas Vizepräsident. Biden hat in seiner Karriere dieselben Entscheidungen wie Hillary Clinton gefällt – unter anderem stimmte er für die Verschärfung der Gefängnisstrafen für jugendliche Straftäter sowie für den Irakkrieg.

Jetzt ist er „fast“ entschlossen, zu kandidieren, hat aber gerade einen heftigen Rückschlag erfahren, nachdem ihm mehrere Frauen vorwarfen, ihnen körperlich deutlich zu nahe gekommen zu sein. Er wolle sein Verhalten diesbezüglich ändern, erklärt Biden jetzt, aber wenn er denn eine Kandidatur erklären sollte, wird er damit wohl noch ein wenig warten. Sollte er es aber tun, wäre der zentristische Parteiflügel, der schon 2016 gescheitert ist, zurück. Bidens Anhänger glauben, dass ihr Kandidat der beste ist, um die Stimmen alle jener zu bekommen, für die ganz minimalistisch das Hauptziel des Jahres 2020 lautet, Trump loswerden.

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