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Mieterproteste: radikal, aber stets dezentral

Am Samstag demonstrieren in 24 Städten Mieterinitiativen. In Berlin startet zugleich das Volksbegehren „Deutsche Wohnen enteignen“. Doch wo bleibt der bundesweite Aufschrei?

Packen und umziehen? Von wegen! Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, der Unmut wächst Foto: Ralph Peters/imago

Von Martin Reeh

„Ich mache die Pressearbeit für die Mietendemo etwas mit“, sagt Rouzbeh Taheri am Telefon. Taheri, ist eigentlich Sprecher des Bündnisses „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Weil seine Handynummer im Internet zu finden ist, die übrigen Initiatoren der Mieterdemonstration am Samstag jedoch nur per Mail erreichbar sind , rufen die Medienvertreter aber auch in Sachen Demo bevorzugt bei Taheri an.

Am Samstag finden in 24 deutschen Städten Demonstrationen unter dem Motto „Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn“ statt. Im Fokus steht Berlin. Die dortige Demonstration ist zugleich der Auftakt für das Volksbegehren des Bündnisses „Deutsche Wohnen enteignen“, das auf alle Unternehmen zielt, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen. Taheri und seine Truppe rufen zu der Demonstration auf, ebenso wie kleine und größere Mieterinitiativen.Die Idee, Konzerne zu enteignen, ruft bei vielen Kritikern im konservativen Spektrum Angst vor dem Kommunismus hervor.

Taheri rechnet mit bis zu 20.000 Teilnehmern der Demonstration in Berlin, je nach Wetterlage. Aber so groß der Wirbel um Demo und Volksbegehren auch ist – die bundesweite Mieterbewegung steht noch am Anfang. Dass eine Reihe von Gruppen, die die Demonstrationen angemeldet haben, nur per E-Mail zu erreichen ist, ist dafür nur ein Anzeichen. Schwerer wiegt: Auch in diesem Frühjahr konnten sich die vielen Initiativen nur zu dezentralen Aktionen durchringen. Obwohl das Mietenthema bundesweit deutlich an Brisanz gewonnen hat, gab es bis heute keine bundesweite Großdemonstration.

Er finde eine bundesweite Demonstration zwar spannend, sagt Tilman Schaich von der Münchner Initiative „ausspekuliert“. Im letzten Herbst, vor den bayerischen Landtagswahlen, hatte die Gruppe rund 10.000 Demonstranten auf die Straße gebracht. Für die Aktion am Samstag, eine symbolische Beerdigung des Münchner Kindl am Leonrodplatz, sind aber nur 500 Teilnehmer angemeldet. „Aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit war keine größere Demo drin“, sagt Schaich. Vielleicht könne man eine bundesweite Demonstration im Herbst anvisieren.

Kalle Gerigk vom Kölner „Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ zeigt sich skeptisch. Eine bundesweite Demonstration im Herbst sei „zu kurzfristig, um dafür groß mobilisieren zu können“. Für den Samstag hat sein Bündnis 5.000 Teilnehmer in Köln angemeldet, bis zu 10.000 seien möglich, sagt Gerigk. Er hofft auf die größte Demonstration, die Nordrhein-Westfalen zum Thema jemals gesehen hat, und mobilisiert landesweit.

„Eine bundesweite Demo im Herbst ist zu kurzfristig“

Kalle Gerigk, Mieteraktivist aus Köln

Parteien dürfen an den Demonstrationen zwar teilnehmen, aber nicht dazu aufrufen. Viele Mieterinitiativen fürchten Vereinnahmungsversuche, auch die Privatisierungen zahlreicher Wohnungen durch SPD, Grüne und PDS in den nuller Jahren machen viele Aktivisten misstrauisch.

Das Verhältnis zwischen den großen Verbänden wie dem Deutschen Mieterbund oder den Wohlfahrtsverbänden und den Mieterinitiativen hat sich hingegen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Einfach ist es aber nicht. In Berlin ruft der örtliche Ableger des Mieterbunds zwar zu der Großdemonstration mit auf. Geplant haben die Mieteraktivisten von der Basis aber ohne ihn. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir einbezogen werden“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild.

Wild, einer der rührigsten Vertreter der Mieterbundes, nimmt regelmäßig an einer bundesweiten Koordinierungsrunde von Verbänden und Initiativen teil. Im Mai ist das nächste Treffen. Dann geht es auch darum, wie es mit den Mieterprotesten im Herbst weitergeht.

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