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Schwanengesänge im Glashof

Neben hochkarätigen musikalischen Vorträgen bot der Eröffnungsabend des Kammermusikfestivals „intonations“, geleitet von Elena Bashkirova, im Jüdischen Museum Anlass, über Kultursponsoring nachzudenken

Von Katharina Granzin

Es ist ein außergewöhnliches Trio, das als Erstes die Bühne betritt. In Franz Schuberts Lied „Auf dem Strom“ ist es neben der menschlichen Stimme vor allem ein Horn, das von verlorener Liebe singt. Das Horn ist eines der tollsten Instrumente, weil es schöner singen kann als jeder Mensch. Und der 21-jährige Ben Goldscheider spielt sein Instrument mit so sehnsuchtsvollem Ton, dass Roman Trekel mit seinem Bariton daneben zum reinen Textlieferanten wird, derweil Festivalleiterin Elena Bashkirova am Flügel hintergründig das Rauschen des Wassers intoniert.

Ein unerwartet melancholischer Einstieg für den Eröffnungsabend eines Festivals. Zum achten Mal findet „intonations“ (6. bis 11. April) statt, das Festival für Kammermusik, das Elena Bashkirova im Jüdischen Museum ausrichtet: Schwester des Jerusalem International Chamber Music Festival, das ebenfalls unter ihrer Ägide steht. Der Schwerpunkt liegt 2019 auf Romantik, mit Einsprengseln aus Moderne und Wiener Klassik.

Am ersten Abend geht’s ums Thema „Wasser“. Im Falle von Hanns Eislers „Vierzehn Arten, den Regen zu beschreiben“ ist dieser Bezug abstrakter gefasst, dafür musikalisch viel variabler als das Schubert’sche Sehnsuchtsraunen. Ein Sextett spielt die vielen gestischen Möglichkeiten dieser Musik unter dem Dirigat von Nabil Shehata geistreich und eloquent aus. Dabei beeindruckt die 24-jährige Pianistin Nathalia Milstein mit einem virtuosen Solo.

Danach wird es wieder sehr traurig mit sechs Liedern aus Schuberts „Schwanengesang“ nach Texten von Heine, die jener schrieb, als es ihm richtig schlecht ging vor lauter Liebeselend („Mich hat das unglückseel’ge Weib/Vergiftet mit ihren Thränen“). Es folgt eine ausgesprochen lange Pause, in welcher der Hauptsponsor des Abends, ein deutsches Chemieunternehmen, in einem abgetrennten Bereich des Hofs ausgedehnt Hof hält für seine Manager.

Tatsächlich bietet der Abend genügend Anlass, um nachzudenken über das Verhältnis von Kunst und Geld, Wirtschaft und Kultur. „Intonations“ wird finanziert mithilfe seines großzügigen Sponsors. Deshalb ist es wohl okay, wenn der Unternehmensname auf den Transparenten, die im Glashof hängen, größer geschrieben ist als der des Jüdischen Museums. Deshalb ist es verständlich, wenn eine Unternehmensvertreterin, bevor der erste Ton erklingt, eine kleine Rede hält, die länger ist als jene von Peter Schäfer, dem Direktor des Museums. Ihre Rede handelt nicht von Musik, sondern von den Werten des Unternehmens. Sie lässt einfließen, dass es ein Tensid entwickelt habe, das biologisch abbaubar sei.

Super, aber mal im Ernst: Gehört das wirklich hierher? Im Saal sitzen viele Männer in mittleren Jahren von merkwürdig uniformem Äußeren: raspelkurzem Einheitshaarschnitt, graumeliert und dunklen Business-Anzügen. Als wäre man versehentlich in einen Linienflug nach Düsseldorf geraten!

Es ist unübersehbar, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen, die nicht – wie heißt das in der Chemie? – interpermeabel sind.

Beim famosen „Forellenquintett“ schielt keiner mehr aufs Handy

Natürlich ist Kulturförderung großartig, auch wenn sie aus der Wirtschaft kommt; aber gerade ein deutsches Chemieunternehmen, das, wie großzügig auch immer, eine jüdische kulturelle Institution fördert, sollte doch so viel Takt besitzen, sich im Haus der Geförderten nicht so ungehemmt selbst zu feiern?

Und ist es nicht auch aus Geschlechterperspektive ziemlich ungerecht, wenn Herr Barenboim aus Steuergeldern eine ganze Musikakademie (unter anderem) finanziert bekommt, während Frau Barenboim (aka Bashkirova) sich für ihr kleines Festival die Kohle von den Kapitalisten holen muss? Selten erlebt man so deutlich wie an diesem Abend, wie wertvoll öffentliche Kulturförderung ist.

Aber immerhin: Eine unsichtbare Membran scheint im Laufe des Konzerts durchlässiger zu werden. Zum Abschluss geben Bashkirova und vier Mithochkaräter eine sehr inspirierte Version von Schuberts famosem „Forellenquintett“. Und dabei sieht man keinen Manager mehr aufs Handy schielen.

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