piwik no script img

Großkampftag mit Hitlergruß

Mehr peinlich als provokant: Das Theater Osnabrück bringt Mel Brooks’Nazi-Musical „The Producers“ auf die Bühne – mit vielen zotigen Witzen und wenig aktueller Politik

Von Harff-Peter Schönherr

Altnazi Franz züchtet Tauben. In Trachtenlederhose und Stahlhelm steht er, eine bizarre Karikatur des Führers, auf einem kotübersäten Dach in New York. Seine Tauben heißen Hermann (wie Göring) oder Heinrich (Himmler), gurren „Deutschland, Deutschland, über alles“. Als Max Bialystock und Leo Bloom bei ihm auftauchen, der schmierige Broadway-Produzent und sein kindischer Buchhalter, um ihm sein Bühnenstück „Frühling für Hitler“ abzuschwatzen, das so schlecht ist, wie sie es für den betrügerischen Flop brauchen, der ihnen die nötigen Millionen für ihre Flucht nach Rio einbringen soll, zwingt er sie zum „Siegfried-Eid“.

Sie ist nur kurz, diese Szene, aber sie ist die beste der drei Stunden und zehn Minuten, die „The Producers“ in Osnabrück dauert, Mel Brooks’NS-Parodie-Musical. Sie besitzt satirischen Biss, beklemmende Brüchigkeit und spielt ironisch auf die Neorechten an – als es um die „Lügenpresse“ geht, fällt Führer-Glorifizierer Franz ins Sächsische.

In dieser Szene liefert Stefan Haschke als Franz die stärkste Einzelleistung des Abends ab. Der Rest, so viel Discokugelgeglitzer, Verfolgerspots und turbulente Massenszenen er auch aufbietet, macht höchstens das, was für Brooks stets das Wichtigste war: Spaß. Und auch nur für den, der vulgäre Sexzoten mag, dümmliche Witze über Rollstuhlfahrer und Schwule, Alte und Frauen. Und der launig-lustige Hitlergruß bis zum Abwinken. Und Revuenummern mit Fantasieuniformen aus SA und SS.

Gewiss, vereinzelt fallen Sätze wie „Im Osten und im Westen – bei den Nazis ist’s am besten!“, und dann lacht das Publikum pflichtschuldig. Aber dass Haschke zuweilen an Peter Sellers erinnert, als halbverrückter Hitler-Bewunderer Dr. Seltsam im Film von Stanley Kubrick, rettet die Sache nicht. Auch nicht, dass ein Banner aus dem Schnürboden runtergelassen wird, auf dem steht: „A lot of fun in Deutschland. Coming soon!“

Das Theater wirft zwar seine volle Truppenstärke in die Schlacht: Dutzende Darsteller, sieben Maskenbildner, acht Ankleider. Aber der Abend hat nur ein einziges Anliegen: Entertainment. Regisseur Dominique Schnizer hätte in den mehrstündigen Hitler-Joke Anspielungen auf die Rechtsnationalisten einbauen können, die derzeit wieder aus den Gräbern kriechen – er hat es nicht getan. In Zeiten, in denen AfD-Kopf Alexander Gauland Hitler zum „Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ verharmlost, vielleicht zu wenig. Stattdessen setzt er auf Dümmlichkeiten wie die, dass Bloom und Bialystock am Ende mit Musicals wie „Das Phantom ist Opa“ Kohle machen.

Es gibt Lichtblicke, Oliver Meskendahl als Leo Bloom etwa. Aber er kann seine Aktionen so präzise setzen wie er will, auch gesanglich – die Schwächen, die sein Partner zeigt, Sänger Mark Hamman als Max Bialystock, auch schauspielerisch, wiegen tonnenschwer – Texthänger, verschluckte Worte, Versprecher, verwirrende Wiederholungen, minutenlanges unverständliches Genuschel. Ein Großkampftag, von der Statisterie bis zur Tanzkompanie. Aber er endet, wie beim GröFaZ, in der Niederlage.

„The Producers“, dessen New Yorker Produktion vor ein paar Jahren das erfolgreichste Musical überhaupt war, mit Preisen überhäuft, adaptiert rund um den Globus, aber nur vergleichsweise verhalten angenommen im deutschprachigen Raum: Es könnte dem Theater Osnabrück Umsatz bringen. Was wir aus dem Drei-Stunden-Abend lernen? Eingedeutschte Reime können schrecklich sein. Und Deutschland ist das Land von Bierhumpen und Brezeln.

Fr, 5. 4., 19.30 Uhr, Theater am Domhof, Osnabrück. Weitere Termine: 7., 12., 14., 20. + 23. 4.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen