Christoph RaffeltMundwerk: Weniger Nasenschmeichler als Texturgeber: Weine vom Vulkan
„Wer schön sein will muss leiden“: Dieses Sprichwort stammt aus dem 19. Jahrhundert und damit aus einer Zeit, in der Damen noch Schnürcorsagen trugen. Heute sind diese abgeschafft und den Satz hört man zum Glück nur noch selten.
Auf Reben und Wein trifft diese Aussage jedoch weiterhin zu. Gute Weine entstehen nicht auf fetten Bördeäckern, sondern auf kargen Böden. Je extremer die Bedingungen für die Rebstöcke sind, desto interessanter wird häufig der Wein.
Das kann man an drei Beispielen trefflich veranschaulichen. Gemeint sind Weine, die am Ätna auf Sizilien, am Pico del Teide auf Teneriffa und an der Caldera de Taburiente auf La Palma entstehen. Dort hat der Weinbau zwar eine lange Tradition, aber man besinnt sich seiner Qualitäten erst wieder seit kurzer Zeit.
Einer dieser völlig ungewöhnlichen Weine ist der Vinudilice des sizilianischen Winzers Salvo Foti. Der roséfarbene Wein ist ein sogenannter Gemischter Satz, bei dem unterschiedliche Rebsorten in einem Weinberg stehen, die dann aber gemeinsam geerntet und verarbeitet werden.
In diesem Fall sind es weiße und rote sizilianische Sorten wie Nerello Mascalese, Minella, Alicante und Graciano, die vor rund 200 Jahren auf 1.300 Metern Höhe in einem Steineichenwald an der Nordseite des Ätna gepflanzt wurden. Die ältesten Rebstöcke stammen noch aus der Zeit der Pflanzung. Der Weinberg kann nur zu Fuß erreicht und mit einem Maultier bearbeitet werden, und er umfasst gerade einmal einen Drittel Hektar.
Ähnlich beeindruckende Weine entstehen auf den Kanareninseln Teneriffa und La Palma. Der Weißwein „Vidonia“ des Weinguts Suertes del Marqués stammt von Rebstöcken der Sorte Listán, die bis auf 740 Meter Höhe an der Nordseite des Teide auf Teneriffa wachsen. Die Reben liegen wie dicke Stränge auf dem Boden, um gegen Wind und Wetter geschützt zu sein. Sie haben ein inzwischen stattliches Alter von über hundert Jahren erreicht wie auch die Malvasía-Aromática-Reben der Winzerin Victoria Torres auf La Palma.
Da Reben im Laufe ihres Lebens immer weniger Trauben produzieren, sind die Erträge gering, aber die Qualität der kleinen Beeren ist dafür umso bemerkenswerter. Was dort entsteht, sind Weine, die weniger nach Frucht als nach Stein, nach Boden und Gewürzen schmecken, die jedoch über eine sehr klare Säure verfügen sowie über enorme Spannung und Energie. Sie sind weniger Nasenschmeichler als Texturgeber, und spielen erst am Gaumen ihren ganzen Charakter aus.
Es kommen dabei Wind und Wetter, Lavagestein und die Salzigkeit des nahe gelegenen Meeres zusammen. Auch drücken die hohen Temperaturunterschiede zwischen heißen Tagen und kühlen Nächten den Reben ihren Stempel auf und formen Weine, wie man sie auf dem innereuropäischen Festland nie erzeugen könnte.
I Vigneri Vinudilice gibt es bei vinaturel.de, Suerte del Marqués Vindonia bei ravenborg.de, Matías i Torres Malvasía Aromática Seco bei weinamlimit.de
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