piwik no script img

Freude hier, Frust dort

Der deutsche Reporter Billy Six wurde aus der Haft in Venezuela entlassen. Er hat das Land inzwischen verlassen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt

Von Ralf Pauli

Fast vier Monate saß der deutsche Reporter Billy Six ohne Anklage in dem berüchtigten Geheimdienstgefängnis El Helicoide in der venezolanischen Hauptstadt Caracas ein – nun ist er wieder frei. Am Freitagabend hat die venezolanische Justiz überraschend seine Freilassung angeordnet. Das teilten die venezolanische Pressegewerkschaft SNTP sowie die Menschenrechtsorganisation Espacio Público auf Twitter mit.

Demnach brachte man den 32-Jährigen, der am 17. November von dem venezolanischen Geheimdienst Sebin bei einer Razzia im Bundesstaat Falcón verhaftet worden war, am Freitag für eine Anhörung in das Justizgebäude. Dort wurden ihm die Auflagen für seine Freisetzung mitgeteilt: Six müsse sich alle zwei Wochen bei den venezolanischen Behörden melden. Zudem dürfe er nicht mit der Presse über seinen Fall sprechen. Nach Angaben verschiedener Medien hat Six das Justizgebäude anschließend in Begleitung deutscher Botschaftsmitarbeiter verlassen.

Gegenüber der taz hat das Auswärtige Amt in Berlin die Freilassung von Six bestätigt. Am Sonntagnachmittag dann folgte die Meldung, er befinde sich auf dem Weg nach Deutschland. Unklar sind die Gründe für die Entscheidung der venezolanischen Justiz. Möglicherweise hat sie mit dem bevorstehenden Besuch von Michelle Bachelet zu tun. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und Ex-Präsidentin Chiles hat angekündigt, nach Caracas zu reisen. Derzeit ist bereits ein fünfköpfiges Team in dem Land, um die Vorwürfe an die Regierung von Maduro wegen des Umgangs mit Bürgerrechten zu prüfen.

In Deutschland hat die Nachricht von der Freilassung des Deutschen Freude ausgelöst. Auch Six’Eltern äußerten ihre Erleichterung in der rechtskonservativen Zeitung Junge Freiheit, für die Six freiberuflich arbeitet: „Wir sind froh über seine Haftentlassung.“ Ihr Sohn habe die erste Nacht in Caracas in einem Hotel verbracht. Erstmals seit vier Monaten habe er duschen können.

Die Umstände von Six’Verhaftung hatten weltweit für Empörung gesorgt. Six, der sich auf seinem YouTube-Kanal selbst als „Indiana Jones“ des Journalismus bezeichnet und schon mal in einem syrischen Gefängnis saß, hatte vor seiner Verhaftung über die humanitäre Krise in Venezuela und den Massen­exodus der Venezolaner nach Kolumbien und in die Karibik recherchiert.

Einen Tag nach seiner Verhaftung brachten Geheimdienstmitarbeiter Six vor ein Militärgericht in Caracas. Dort wurden ihm „Spionage“, „Rebellion“ und das „Verletzen von Sicherheitszonen“ vorgeworfen. Laut der Menschenrechtsgruppe Espacio Público wurde er dabei folgender „Verstöße“ beschuldigt: Six habe in den Jahren 2015 bis 2016 während eines nationalen Feiertages Fotos von Militärparaden gemacht und sich mit kolumbianischen Farc-Rebellen getroffen.

Weiter sei Six zur Last gelegt worden, dass er sich bei einer Wahlkampfveranstaltung von Präsident Nicolás Maduro im Mai 2018 auf die Absperrung der „Sicherheitszone“ gestützt habe. Six drohten bis zu 28 Jahre Haft. Reporter ohne Grenzen (ROG) bezeichnete die Vorwürfe im Herbst als „hanebüchen und in keiner Weise belegt“. Es sei ein „gängiges Mittel autoritärer Regime, recherchierende Journalisten der Spionage zu bezichtigen“. Im aktuellen ROG-Ranking für Pressefreiheit landet Venezuela auf Platz 143 von weltweit 180. Daran dürfte auch die Freilassung Six’nichts ändern. Im Gegenteil.

Letzte Woche gab es drei staatliche Übergriffe auf Journalisten. So machte die Frau des Medienaktivisten Luis Carlos Díaz bekannt, dass dieser verschwunden sei. Mittlerweile habe der Geheimdienst Sebin die Festnahme bestätigt, berichtet die Pressegewerkschaft SNTP. Dann wurde der Korrespondent der polnischen Zeitung Gazeta ­Wyborcza, Tomasz Surdel, in ­Caracas von Polizisten verprügelt.

Die Regierung Maduros si­gnalisiert mit diesen Übergriffen: Auch künftig riskiert jeder, der kritisch berichtet, zumindest Haft. Manche werden nach der Festnahme schnell außer Landes geschafft, wie vor zwei Wochen der US-Journalist Cody Weddle, der für CNN arbeitet. Doch viele andere Beispiele zeigen: Wer einmal einsitzt, kommt nicht so schnell raus.

Was auch immer zu Six’Freilassung geführt haben mag: In Deutschland dürfte der Fall Six damit noch nicht abgeschlossen sein. Die AfD hatte versucht, der Bundesregierung nachzuweisen, sich nicht genügend für die Freilassung von Six eingesetzt zu haben. Auf Twitter kündigte die AfD der niedersäch­sischen Stadt Salzgitter an: „Die deutsche Regierung, insbesondere der Außenminister Heiko Maas, das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Caracas werden sich noch für die 119 Tage Isolationshaft von #Billy Six zu verantworten haben!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen