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Zum Sterbenimmer noch zu viel

Die Altersarmut in Bremen nimmt zu. Tausende BremerInnen erhalten eine Rente von weniger als 600 Euro. Der Senat sieht aber zunächst keinen Handlungsbedarf. Geld vom Bund, das der Bekämpfung der Not hätte dienen können, gab Rot-Grün anderweitig aus

Von Jan Zier

Erst einmal kein Thema für die Bürgerschaft ist die steigende Altersarmut in Bremen. Zwar hat der rot-grüne Senat gerade eine Große Anfrage der Linkspartei zum Thema länglich beantwortet, auf der Tagesordnung des Landtages, der in dieser Woche tagt, rangiert das Thema aber erst auf Platz 33. Das heißt also, es wird frühestens im März darüber debattiert.

Ohnehin sehe der Senat da gerade keinen so dringenden Handlungsbedarf, erklärt er in seiner Antwort. Außerdem hat er Gelder des Bundes, die auch der Bekämpfung der Altersarmut hätten dienen können, anderweitig ausgegeben. Denn seit 2014 zahlt der Bund alle Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Für Bremen bedeutete das zusätzlichen Einnahmen. Die aber seien im allgemeinen Etat versackt, gibt der Senat offen zu: Zwar seien die Kommunen vom Bund finanziell entlastet worden, das Geld floss aber in die „Stabilisierung der Haushalte“ und damit „mittelbar in die Sicherung des Status quo“. Das sei ein „starkes Stück“, sagt Nelson Janßen von der Linkspartei – und „total daneben“.

Auch Initiativen auf Bundesebene sind erst einmal nicht geplant. Der Senat sieht „gegenwärtig keine Veranlassung“, etwa eine Reform der Regelungen zur vorgezogenen Altersrente mit Abschlägen für TransferleistungsbezieherInnen „zu erwirken“. Die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung stellt der Senat „grundsätzlich nicht infrage“.

Rot-Grün „begrüßt“ aber immerhin die SPD-Vorschläge zur Einführung einer Grundrente. Von ihr würden, das hat die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) gerade ausgerechnet, 16.700 BremerInnen profitieren, ganz überwiegend Frauen. Denn all diese RentnerInnen bekommen auch nach mindestens 35 Beitragsjahren weniger als 896 Euro im Monat.

Die Zahl der BremerInnen, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bekommen, steigt seit Jahren: Laut Arbeitnehmerkammer sind das derzeit 15.300 Menschen. Zum Vergleich: 2006 waren es knapp 10.000, vier Jahre später schon fast 12.000 und 2013 über 14.000 Betroffene.

Zwar wolle die SPD den Landesmindestlohn „so schnell wie möglich auf zwölf Euro erhöhen“, sagt sie in ihrem Wahlprogramm, ein entsprechender Antrag der Linkspartei scheiterte Ende vergangenen Jahres aber zunächst am Widerstand der Grünen. Das Thema wird auch bei möglichen rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen nach der Wahl eine Rolle spielen.

Altersarmut in Bremen

Frauen sind stärker von Altersarmut betroffen als Männer, ganz besonders MigrantInnen.

2017 bekamen BremerInnen im Schnitt 863 Euro Altersrente, 177 Euro mehr als 2010. Bei Frauen waren es 2017 nur 709, bei Männern aber 1.034 Euro. Der Bundesdurchschnitt lag zur selben Zeit bei 873 Euro, das waren 200 Euro mehr als 2010.

Knapp 36.000 BremerInnen erhielte Ende 2017 eine Rente von unter 600 Euro, darunter waren 73 Prozent Frauen.

Unter den 58- bis 65-jährigen in der Stadt Bremen lag die Beschäftigungsquote 2011 bei 35 Prozent, 2017 aber schon bei 46 Prozent. In Bremerhaven sieht es ähnlich aus.

Nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Ende 2017 knapp 36.000 BremerInnen eine Rente von weniger als 600 Euro. Der Frauenanteil bei diesen Mini-Renten lag bei 73 Prozent. Bei den NeurentnerInnen bekam 2017 jeder vierte deutsche Bremer und jede zweite deutsche Bremerin weniger als 600 Euro. Und die sogenannte Armutsrisikoschwelle lag 2017 – für Einpersonenhaushalte – bei 914 Euro monatlich.

„Die gesetzliche Renten müssen den im Erwerbsleben erreichten Lebensstandard weitgehend sichern“, fordert die Arbeitnehmerkammer. Zudem müssten sie „einen wirksamen Schutz vor Altersarmut bieten“. Die Reformen und Debatten der vergangenen Jahre „weisen allerdings in eine ganz andere Richtung“, so die Arbeitnehmerkammer.

Der rot-grüne Senat jedoch verweist auf das Rentenpaket der großkoalitionären Bundesregierung und die Pläne, die Rente ab 2025 auf eine neue Basis zu stellen – und sieht ansonsten die „Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Pflicht“.

Wie sich das Rentenniveau in Bremen bis 2030 entwickelt, weiß die Landesregierung nicht: Es gebe dazu „keine Schätzungen oder Vorausberechnungen“.

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