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Die Konferenz der Bäume

Elektroproduzent Hendrik Weber aks Pantha du Prince will mit seinem neuen Bühnenprojekt „Conference of Trees“ der Welt der Bäume einen Klang geben und den Raum des Waldes in eine Komposition übersetzen – mit zum Teil selbstgefertigten Instrumenten aus Holz

Von Sophie Jung

Letztes Jahr konnte man im Gropius-Bau einem Chinesischen Wacholder beim Tanzen zusehen. Er warf im Zeitraffer einer Videoprojektion seine langen Glieder in die Höhe und schwang – ja – sexy seinen Bommelkörper in Serpentinen von einer Seite zur anderen. Der Ort, an dem Künstler Cyprien Gaillard die buschige Zypresse irgendwo in Kalifornien gefilmt hatte, war trostlos bis abgefuckt: Beton, Maschendrahtzaun, ein abgestelltes Sofa am Rande irgendeiner entleerten Logistikfläche. Doch darum schien sich der Wacholder nicht zu scheren. Er tanzte immer weiter zu Alton Ellis’ funky unterlegtem Ausruf „I was born a loser / I was born a winner“, den Gaillard dazu als neunsekündiges Sample im Loop abspulen ließ.

Welche Tanzeinlage würde diese freche, gegen unsere Sinne und Vorstellungen revoltierende Pflanze wohl bei der „Conference of Trees“ von Pantha du Prince einlegen? Auch der Elektroproduzent stellte sich für sein aktuelles Bühnenprojekt, das am Wochenende im HKW erstmals in Berlin aufgeführt wird, die Frage, wie Bäume denn wohl tanzen. Denn so langsam dringt aus der Wissenschaft die Erkenntnis in unser Bewusstsein, dass Pflanzen Wesen sind. Sie fühlen, schmecken, kommunizieren – und tanzen. Leben Bäume nicht als verlorener Einzelgänger wie der Chinesische Wacholder am Rande von Hollywood, sondern zusammen im Wald, so bilden sie Netzwerke, sie formieren sich quasi zu einer Gesellschaft. Unter ihnen gibt es Könige, Prinzessinnen, es gibt Frontkämpfer und Boten.

Ein solches Figurenkabinett unter den Waldgewächsen stellt der rheinland-pfälzische Förster Peter Wohlleben mit seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ auf. Wohlleben trifft mit seinen präzisen und verwunderlichen Beobachtungen über das feinsensorische Wurzelwerk der Bäume, über ihre Duftstoffe und molekularen Signale einen romantischen Nerv, sein Buch wurde 2016 zu einem Bestseller. Bäume sind bei Wohlleben Gestalten, mystisch und geisterhaft. Über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg, ohne dass wir es sehen können, führen sie Gespräche und teilen ihr Wissen.

Der Elektroproduzent Hendrik Weber will mit seinem neuen Bühnenprojekt „Conference of Trees“ dieser anderen Welt, der Welt der Bäume, einen Klang geben, sie sozusagen in unsere Wahrnehmungswelt zurückholen. Schon als Club-Musiker widmete er sich mit seinem Künstleralias Pantha du Prince Sujets, die eigentlich fernab von Zivilisation und Technik anzusiedeln sind. 2006 übersetzte er mit dem Tanztrack Walden das gleichnamige Aussteiger-Buch des amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau in sanfte Basslinien, feine Claps und sphärische Synthesizer, die so klangen, als wären sie aus uraltem Ton erzeugt. Seine weiteren Tracks hießen in diesen Jahren „Glühen“, „Bohemian Forest“ oder „Es schneit“.

2013 später verlässt Hendrik Weber das einsame Mischpult-Dasein des Elektroproduzenten und initiiert die Formation The Bell Laboratory unter anderem mit den norwegischen Perkussionisten Bendik Kjelsdberg und Hakon Stene. Beide Musiker sind auch bei der „Conference of Trees“ dabei. Elektronische Clubmusik wurde mit The Bell Laboratory dann zum Bestandteil eines Ensemblespiels auf der Bühne, arrangiert um und mit akustischen Instrumenten. Für „Conference of Trees“ holte sich Hendrik Weber noch Manuel Chittka, den Schlagzeuger der Band Messer, und dem Jazzmusiker und Multi-Instrumentalisten Friedrich Paravicini dazu.

Als siebter Beitrag zur Reihe Technosphärenklänge im HKW bringen diese fünf Musiker am Wochenende Holz zum Schwingen. Selbst mit fratzenartigen Kostümen zu Naturgeistern verwandelt werden sie die Gewebe verschiedener Baumarten beschwören und in den Dialog zueinander setzen. Mit rohen Pflöcken und feinen Saiteninstrumenten, mit einer Marimba aus Ahornholz und einer Tambura aus Esche arbeiten sie die unterschiedlichen Klänge der Pflanzen heraus. Eine schiere Wunderkammer von Hölzern und Instrumenten aus verschiedenen Teilen der Erde hat Hendrik Weber für das Bühnenprojekt zusammengesammelt. Teilweise sind diese ungewöhnlichen Klanggegenstände von ihm selbst angefertigt, der vor Pantha du Prince einmal Tischler war.

Für „Conference of Trees“ drang Hendrik Weber tief in die Wissenschaft und Mythen um den Wald ein. Weber sucht die Pflanzenforscher und Autor Fred Hageneder auf oder er sprach mit dem Bonner Botaniker Frantisek Baluška. Er wanderte durch die Wälder seiner Kindheit, bereiste andere in Europa und den USA. „Meine erste Idee war, dass Bäume über ihre Kommunikation einen Raum kartieren“, sagt er in einem Interview für das Londoner Barbican. Mithilfe der Mathematik Georg Friedrich Bernhard Riemanns, eines Vordenkers der Relativitätstheorie, übersetzte er diesen Raum des Waldes in eine Komposition.

Die Geschichte, die er mit seiner Übersetzung einer Sprache der Bäume erzählt, ist mystisch. Dabei nahm sich Hendrik Weber die Dichtung „Konferenz der Vögel“ des persischen Sufi-Gelehrten Fariduddin Attar zum Vorbild. In seiner Parabel aus dem 12. Jahrhundert erleben die Tiere auf der Suche nach einem König eine Reise voller Abenteuer und Entbehrungen. Letztlich ist es eine Reise ins Innere.

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