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Schritte zur urbanen Solidarität

Wie wollen wir leben in unseren Städten? Was muss getan werden, damit Stadtluft nicht arm macht?

Robert Kaltenbrunner/Peter Jakubowski: „Die Stadt der Zukunft“. Aufbau, Berlin 2018, 363 Seiten, 20 Euro

Von Edith Kresta

Eine aktuelle Studie der deutschen Wirtschaft belegt, dass 18 Prozent der Münchner von Armut bedroht sind. Der Grund: Die Lebenshaltungskosten sind in München inzwischen so hoch, das sie auch von den oft überdurchschnittlichen Gehältern nicht abgefedert werden können“, ­schreiben der Stadtplaner Robert Kaltenbrunner und der Volkswirt Peter Jakubowski. Sie haben ein Buch über „Die Stadt der Zukunft“ geschrieben. Keinen gewagten utopischen Entwurf, sondern eine kühle Bestandsaufnahme, die vor allem Fragen aufwirft.

Wie können die Städte Individualität schützen und doch Gemeinschaft ermöglichen? Wie schafft man lebendige öffentliche Räume, die zum Bleiben ermuntern, ohne im Konsumismus zu ersticken? Was heißt Heimatgefühl in einer sich ständig wandelnden Stadt? Wie bindet man Privateigentum in städtische Planung mit ein? Überhaupt, wie kann man trotz des Einfalls renditegesteuerter, finanzmächtiger Investoren die Stadt politisch bewusst im Sinne des Gemeinwohls planen?

„Die Überlappung der Milieus“, meint der Stadtökonom Dieter Läpple, mache die moderne Stadt aus. Nicht zuletzt verleihe auch „das örtliche Handwerk oder die Möglichkeit für Erzieher, in derselben Umgebung wie ihre Schützlinge zu wohnen, einem Viertel Lebensqualität. Wer Häuser und Quartiere als Handelsware sieht hat natürlich andere Interessen.“ Die Autoren zitieren aus philosophischen, historischen und soziologischen Schriften. Ausführlich und detailreich nehmen sie die unterschiedlichsten Aspekt der städtischen Entwicklung auseinander. Sie diskutieren, ob die Eventkultur wie Marathonläufe, Public Viewing oder Volksfeste tatsächlich zu einem neuen Stadtgefühl führen. Sie hinterfragen die Bedrohung durch Gentrifizierung, was bedeutet Multikulti und wann wird ein Viertel zum Getto.

Führen Marathonläufe oder Volksfeste tatsächlich zu einem neuen Stadtgefühl?

Doch wer klare Leitlinien und Antworten erwartet, wird enttäuscht. Denn die menschengerechte Stadt der Zukunft hat viele Baustellen. Sie ist ein Mikrokosmos der Gesellschaft, ein buntes Kaleidoskop. Auf engstem Raum werden die unterschiedlichen Bedürfnisse, Sehnsüchte und Begierden ausgelebt, aber auch die damit verbundenen Konflikte. Klar ist für die Autoren, dass die Stadt der Zukunft autofrei ist und von ihren Bürgern mitgestaltetet werden muss.

Die Bürger müssen sich beteiligen an der Planung, damit die Stadtviertel sozial durchmischt, die Mieten bezahlbar bleiben. Und sie müssen den öffentlichen Raum zurückgewinnen. Es sind für die Autoren nicht die großen Entwürfe, sondern kleine Schritte und Aktionen, die zu einem sozialen Miteinander führen, zur urbanen Solidarität, zur Stadt als Heimat.

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