20.000 tote Seevögel

Niederländische Forscher rätseln: Massensterben durch Containerunglück?

Von Sinan Recber

Auf rätselhafte Weise sind in niederländischen Gewässern rund 20.000 Meeresvögel zu Tode gekommen. Tausende Kadaver von Trottellummen wurden an den Küsten der Nordsee angeschwemmt. Die ausgemergelten Körper der Tiere aus der Familie der Alkenvögel waren im vergangenen Monat an den Wattenmeerinseln im Norden und in der Provinz Zeeland im Süden der Niederlande aufgetaucht. Die Lummen halten sich normalerweise nur zur Brutzeit an den Küsten auf und verbringen die meiste Zeit ihres Lebens am Meer.

Für diese Region sei das „ein seltener Vorfall“, erklärte der Meeresbiologe Mardik Leopold von der Universität Wageningen der taz. Zwar habe man bereits in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder tote Meeresvögel beobachten können, aber diese hätten immer mit größeren Ölverschmutzungen im Zusammenhang gestanden. „Jetzt aber haben wir saubere Vögel entdeckt, die keine eindeutige Todesursache haben. Ein solches Massensterben haben wir seit 20 Jahren nicht mehr gesehen.“ Tierpathologen an der Universität Utrecht obduzieren in den nächsten Tagen etwa 100 Lummen, um die Todesursache zu klären.

Wissenschaftler vermuten, dass die meisten Tiere verhungert sind. Einige der Vögel, die lebendig an den Küsten angespült wurden, befinden sich in der Obhut von Küstenstationen, wo sie wiederaufgepäppelt werden.

„Seltsam an diesem Vorfall ist, dass es sich anscheinend nur auf die Niederlande beschränkt“, sagte der Forscher. Weder in Belgien noch in Deutschland seien viele Fälle bekannt.

Derzeit kursieren unterschiedliche Erklärungen für das Massensterben: Eine Theorie geht davon aus, dass die Vögel wegen des im Winter sehr schlechten Wetters erschöpft waren. Eine andere Theorie macht den Plastikmüll verantwortlich, der aus den Containern stammt, die am 2. Januar während eines Sturms vom Riesenfrachter „MSC Zoe“ über Bord gegangen waren. Behörden hatten die Zahl der verlorenen Behälter bislang mit 291 angegeben, am Mittwoch wurde sie auf mindestens 345 erhöht. Das Frachtschiff war auf dem Weg nach Bremerhaven, als ein Teil seiner Ladung in niederländische Gewässer fiel, darunter auch Container mit giftigen Chemikalien.