Buch „Rosen in einem verbotenen Garten“: Ein Recht auf Schnulze
Elise Garibaldi hat die Geschichte ihrer jüdischen Großmutter aufgeschrieben, die aus Bremen nach Theresienstadt deportiert wurde.
Dass einem die Liebesgeschichte aus dem Konzentrationslager Bauchgrimmen macht, ist klar. Der eigentliche Titel des Buches macht es auch nicht besser: „Rosen in einem verbotenen Garten“. Garibaldi hat es auch als Rockmusical vertont – im Dezember waren Ausschnitte im Bremer Rathaus zu hören. Das steht quer zum hiesigen Gedenkdiskurs. Der Form wegen, aber auch inhaltlich: Dass jemand mit dem KZ auch Schönes verbindet, ist irritierend, die Angst verständlicherweise groß, dass es wer in den falschen Hals bekommt.
Wer sich aber einlässt auf die Zumutung, der lernt etwas daraus. Dieses jugendliche-aufgeregte Anbandeln von Inge Katz und ihrem späteren Mann Schmuel Berger zeigt ruft nämlich etwas in Erinnerung, das untergeht, wo allein von der mörderischen Gleichmacherei der Nazis die Rede ist: Die Deportierten waren Individuen, konkrete Menschen mit eben auch banalen Gedanken und Gefühlen, wie sie jeder x-beliebige Teenager kennt. Schon darum ist es ein großer Gewinn, dem Einzelschicksal der Zeitzeugin auf rund 200 Seiten ausführlich folgen zu können.
Fast die Hälfte davon spielt in Bremen, erzählt die bekannten Stationen nach und schließt lückenlos an die lokale Forschung an – auch weil Inges Familie in Bremen durchaus bekannt war. Die Carl-Katz-Straße in Obervieland ist etwa nach ihrem Vater benannt, der nach dem Krieg die jüdische Gemeinde wieder aufbaute (damals noch unter dem Namen „Israelitische Gemeinde in Bremen“) und als Gemeindevorsitzender die heutige Synagoge an der Schwachhauser Heerstraße mit aufbaute.
Aus der Sicht von Inge Katz erzählt das Buch nun von der Reichspogromnacht, der Deportation und vor allem: den langen Phasen dazwischen in ihrer beklemmenden Ereignislosigkeit. Nach der Pogromnacht war Inge Katz etwa für ein Jahr in Berlin in verhältnismäßiger Ruhe, bevor sie zurück nach Bremen kam, wo sie vor den Trümmern ihrer Kinderzeit stand.
Besonders eindringlich sind die Adressen, die sich wie beschwörend durch das ganze Buch ziehen. Auch in den Erinnerungen aus der KZ-Zeit ist ständig von der Isarstraße 33 in der Neustadt die Rede, wo die Familie bis zum Pogrom gelebt hat. Nach der Zerstörung der Synagoge traf sich die Gemeinde in der Kohlhökerstraße 6 im Ostertor. Familie Katz war im „Judenhaus“ in der Legion-Condor-Straße 1 untergebracht, die heute wieder „Parkstraße“ heißt. Selbst von Inge Katz’ Tante erfahren wir die Anschrift: Chissinstraße 20 in Tel Aviv. In der Erzählung sind das Orte, an denen es früher besser war oder an denen es jetzt besser wäre: Marker auf der fiktiven Landkarte einer Welt außerhalb des Lagers.
Garibaldis Nacherzählung folgt auch den Fehleinschätzungen und naiven Hoffnungen. Es wäre Zeit gewesen, Bremen und Deutschland zu verlassen, aber selbst im Deportationszug heißt es noch: „In ihrem maßgeschneiderten Kostüm und mit dem Regenmantel über dem Arm hatte sie Bremen verlassen, um in ihr neues ‚Zuhause‘ zu reisen.“
Vor den Trümmern ihrer Kindheit
Wahrscheinlich liegt dieser falsche Optimismus auch an der speziellen Bremer Situation, wo die jüdische Bevölkerung verhältnismäßig gut integriert lebte, und wo auch die NSDAP sich in den ersten Jahren verbal zurückhielt, weil die hanseatischen Kaufleute Angst um ihre internationalen Geschäfte hatten.
Das Buch hält sich mit solchen Einschätzungen allerdings zurück, Garibaldi bleibt streng bei der Perspektive ihrer Großmutter. Auch die heute umfänglich rekonstruierten Ereignisse der Pogromnacht kommen im Buch nur vor, soweit Inge Katz davon wusste.
Ein paar Jahre nach dem Krieg sind Inge Katz und ihr Mann in die USA ausgewandert, wo Garibaldi ihre Geschichte ursprünglich veröffentlicht hat. An der inzwischen vorliegenden deutschen Übersetzung des Buches hat Barbara Johr mitgearbeitet, die das „Projekt Stolpersteine“ bei der Bremer Landeszentrale für politische Bildung leitet.
Diese lokale Expertise erweist sich als großer Gewinn für diese Ausgabe: Johr hat bei der Übersetzung beraten und auch inhaltliche Fehler im Original beseitigt. Dabei geht es etwa um falsche Details in der Organisation von SS und SA, die aus dem zeitlichen und räumlichen Abstand verständlich sein mögen – aber auch um den bis heute unbelegten Verdacht gegen einen vermeintlichen Gestapo-Spitzel.
Elise Garibaldi: Rosen in einem verbotenen Garten – Eine Liebe in Zeiten des Holocaust. Hentrich & Hentrich Verlag, 204 Seiten, 19,90 Euro
„Rosen in einem verbotenen Garten“ ist keine Faschismusanalyse und auch kein Versuch, große Literatur zu schreiben. Aber es ist ein ausgesprochen lesenswerter Zeitzeuginnenbericht darüber, dass es eben auch ein ganz normales jüdisches Leben in Deutschland gab, bis die restlichen Deutschen es gewaltsam beendet haben. Und darum ist das Buch eben auch eine Liebesgeschichte: weil das zum Leben dazugehört.
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