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„Ich habe gelogen“

Einmal eine falsche Altersangabe, und mit dem Pass wird es schwierig: ein Geflüchteter erzählt

Protokoll Hauke Fischer

Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich gelogen. Es war nicht mein Ziel, hier zu bleiben. Ich wollte in Frankreich Asyl beantragen. In Frankreich habe ich Familie. Meine Cousins und Cousinen leben dort. Ich bin von Libyen aus mit einem Schlauchboot nach Italien gekommen. Der Motor ging kaputt. Wir hatten ein kleines Loch in dem Boot und haben die ganze Zeit mit einem Plastikbecher das Wasser herausgeschöpft. Ich dachte, dass ich sterben werde. Zwischendurch dachte ich sogar, dass ich schon tot bin. Da war nur noch Wasser.

Ein Marineschiff hat uns gerettet. In Italien bin ich vier Tage geblieben. Ich habe es geschafft, dass ich nicht meine Fingerabdrücke abgeben musste. Ich wollte weiter. Also bin ich in einen Zug gestiegen, aber ich wusste nicht wohin er fährt. Ich hatte ein kleines Smartphone und hinter der Grenze hat es mir angezeigt, dass ich jetzt in Deutschland bin.

Von Deutschland wusste ich, dass Asylanträge nicht anerkannt werden, wenn man nicht aus Syrien oder dem Irak kommt. In der Gesellschaft gibt es wenig schwarze Menschen. Dann kann es sein, dass du ausgegrenzt wirst. Das war mit klar. Deutschland war nicht mein Land.

Ich bin in Nürnberg angekommen. Und ich war so müde. Ich wollte nur ein Bett, aber ich hatte wenig Geld. Weil ich nicht wusste, wo ich hin soll, bin ich zur Bundespolizei am Bahnhof gegangen. Ich hatte gehört, dass die Flüchtlinge registriert werden, aber wie, das wusste ich nicht. Ich habe zwar meinen Namen gesagt, aber ein falsches Alter, damit sie mich später nicht zurückschicken können. Ich wollte hier keinen Asylantrag stellen, sondern in Frankreich.

Aber dann haben sie mich registriert wie einen Kriminellen. Sie haben mich tausend Mal fotografiert, geschaut, ob ich Tattoos habe und Fingerabdrücke genommen. Sie haben mir tausend Fragen gestellt. Am Ende bin ich in eine Flüchtlingsunterkunft gekommen.

Ich habe dann gemerkt, dass ich nicht mehr weiterreisen kann. Ich hatte später noch ein Interview beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dort wollte ich mein Geburtsdatum verändern, damit alles richtig ist. Aber der Dolmetscher hat gesagt, dass ich das besser nicht mache. Ich hätte sonst schlechtere Bildungschancen in Deutschland.

Eigentlich war ich 28 Jahre alt. Aber im Dokument stand jetzt 19. Ich habe trotzdem keine Kurse bekommen, weil ich kein Syrer bin. Vielleicht hätte ich das Datum damals noch ändern können, aber jetzt ist es zu spät.

Wenn die Behörden von mir verlangen, dass ich meinen Pass besorge, habe ich vielleicht ein Problem. Es gibt beim Konsulat niemanden mit meinem Namen und meinem Geburtsdatum.

Ich weiß aber nicht, ob ich mir deshalb Sorgen machen muss. Es könnte auch sein, dass sie mich zurückschicken, sobald ich einen Pass habe. Ich möchte aber hier bleiben. Ich habe hart gearbeitet, um die Sprache zu lernen. Ich habe hier Freunde, ich bin Steuerzahler und finanziere mein Leben selbst. Ich versuche, auf meinen eigenen Beinen zu stehen.

Wie es mit meinen Dokumenten weitergeht, weiß ich nicht.

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