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Das Lächeln einer Engländerin

Die EU und Irland wollen nicht mit Theresa May über den Brexit nachverhandeln. Noch tun sie so, als könne der Nordirland-Backstop auch dann kommen, wenn Großbritannien nicht zustimmt

Aus Brüssel Eric Bonse und aus Dublin Ralf Sotscheck

Nachverhandeln? Kommt nicht in Frage. Den Backstop für Irland ändern? Ausgeschlossen! Die EU reagierte am Mittwoch kompromisslos auf die neuen Forderungen aus dem britischen Unterhaus zum Brexit. Die Fronten sind verhärtet, Bewegung zeichnet sich in Brüssel nicht ab.

Die EU klammert sich an den Austrittsvertrag, der im November mit Großbritannien geschlossen worden war und den das britische Parlament Mitte Januar verworfen hatte. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betonte, dieser Vertrag sei die „beste und einzige Lösung“.

Fast wortgleich äußerte sich Chefunterhändler Michel Barnier: Die EU stehe geschlossen hinter dem Brexit-Vertrag. Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, forderte die Briten zum Einlenken auf. London komme am vereinbarten Deal nicht vorbei.

Ausgesprochen verärgert reagierten deutsche Europaabgeordnete. Es sei „unfassbar“, dass May nun an einem Vertrag rüttele, den sie selbst ausgehandelt habe, beschwerte sich Elmar Brok (CDU). May wirke wie ein Zauberer mit Hut, aber ohne Kaninchen, meinte sein grüner Kollege Reinhard Bütikofer. „Sie probiert es zwei-, drei-, viermal – es springt einfach kein Kaninchen aus dem Hut.“

Doch auch der EU will kein Zaubertrick gelingen. Es scheint ein böser Fluch über dem Brexit zu liegen. Dabei hatten es die EU-Politiker mit Ködern versucht. Wenn die Briten endlich erklären würden, was sie wollen, statt immer nur zu sagen, was sie nicht wollen, könne man wieder ins Gespräch kommen, hieß es zuletzt in Brüssel.

Doch nun, da May mit einem Mandat zu Nachverhandlungen ausgestattet ist, ist es der EU auch nicht recht. Ratspräsident Donald Tusk zieht sich auf ein formales Argument zurück: Internationale Verträge könnten nicht einseitig in Frage gestellt werden, May stehe im Wort.

Allerdings hat die EU immer wieder ausgehandelte Verträge wieder „aufgemacht“. Das war beim EU-Vertrag von Lissabon so, der auf Wunsch Irlands nachträglich ergänzt wurde. Oder bei den CETA-Verhandlungen mit Kanada, als Maas’ Amtsvorgänger Gabriel es schaffte, den Text substanziell zu verändern.

Auch die EU-Argumentation beim Backstop für Irland ist widersprüchlich. Der Backstop, der eine unbefristete Anbindung Großbritanniens an die EU-Zollunion vorsieht, gilt in Brüssel als „Lebensversicherung“ gegen eine „harte Grenze“ zwischen Irland und Nordirland, weil diese den Frieden gefährden würde. Doch eine „harte Grenze“ würde auch beim einem ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU entstehen, welcher droht, wenn das Abkommen weiterhin in London keine Mehrheit findet – und ausgerechnet das EU-Mitglied Irland müsste sie errichten. Das hat die EU-Kommission vor wenigen Tagen klargestellt. Irland wäre verpflichtet, die neue Außengrenze zu sichern und den Grenzverkehr zu überwachen, um den europäischen Binnenmarkt nicht zu gefährden. Im Ernstfall wäre der Binnenmarkt wichtiger als der Frieden – eine böse Falle, über die man in Brüssel ungern spricht.

In Irland hat der britische Schachzug vom Dienstag Empörung ausgelöst. „Der Deal ist ein sorgfältig ausgehandelter Kompromiss“, sagte Premierminister Leo Varadkar: „Er kann nicht nachverhandelt werden.“ Sein Stellvertreter Simon Coveney fügte hinzu, man habe zwei Jahre lang nach Alternativen für den Backstop gesucht und keine gefunden. „Und jetzt tritt die britische Premierministerin für dieselben Dinge ein, die wir längst verworfen haben.“ Europaministerin Helen McEntee sagte: „Der Backstop kann nicht verändert werden. Er ist vom Vereinigten Königreich und mit dem Vereinigten Königreich ausgehandelt worden.“

Die irische Regierung veröffentlichte am Mittwoch den Brief eines Wählers, der einen seiner Meinung nach „weisen Rat“ von James Joyce zitierte: „Hüte dich vor den Hörnern eines Stieres, den Hufen eines Pferdes und dem Lächeln einer Engländerin.“

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