Kommentar Andreas Speit über die Studie zum Linksextremismus: Bitte rinks nicht mit lechts velwechsern
Die AfD wirkt: Der Slogan, mit dem die Partei in den vergangenen Monaten geworben hat, ist keine bloße PR-Formulierung. Die erfolgreichste Parteineugründung in der Geschichte der Bundesrepublik gibt nicht bloß bei der Asyl- und Einwanderungspolitik häufig den Takt vor, nach dem der Politik- und Talkshow-Betrieb tanzt. Seit Längerem gelingt der Partei auch ein weiteres Agenda-Setting.
Denn ihr zweites großes Anliegen, dem „rot-grün-versifften 68er Deutschland“ den Garaus zu machen, schlägt mehr und mehr durch. In unterschiedlichen Formen findet dieser Angriff gesellschaftlichen Zuspruch – von der anhaltenden Debatte um zu weit gehende „Political Correctness“ bis hin zum Vorwurf der Relativierung des „Linksextremismus“.
Jüngstes Beispiel dafür ist der Fall Frank Magnitz. Die ersten Nachrichten zu dem Angriff auf den AfD-Bundestagsabgeordneten aus Bremen beruhten alleine auf Angaben der AfD. Schnell – sehr schnell – wurde in der Politik und in den Medien die Distanz zum Linksextremismus und zu linker Gewalt bekundet. Auch die taz fiel mit einer Titelseite auf die Fake News herein.
Die diskursive Verschiebung spiegelt sich besonders in den laufenden Projekten oder geplanten Maßnahmen gegen Linksextremismus wieder. Seit die AfD in den Parlamenten ist, scheint in der Politik der Druck oder der Wunsch gewachsen zu sein, dieses Phänomen verstärkt zu beachten. Ganz so, als ob Verfassungsschutz und Polizei nicht ohnehin schon „den Feind“ vor allem „links“ vermuteten – allen Studien zur politischen Gewalt zum Trotz.
Teils aus inhaltlicher Zustimmung, teils in vorwegeilendem Gehorsam werden Projekte gegen links finanziert. Wer heute gegen rechts sein will, muss auch gegen links sein, um glaubhaft gegen rechts sein zu können – das ist der Erfolg der Rechten.
Die AfD macht nicht alleine durch Große und Kleine Anfragen in den Parlamenten Druck. In Sachsen-Anhalt konnte sie mit Zustimmung der CDU im Landtag eine Enquete-Kommission zur Untersuchung von Linksextremismus einrichten. Auffallend dabei: Die Stimmen der CDU wären gar nicht nötig gewesen. Die Stimmen der AfD hätten genügt.
Auch der Landespräventionsrat in Schleswig-Holstein will nun wohl dem Vorwurf der Einseitigkeit entgegenwirken. Zahlen sagen in der Politik nicht alles, sie geben aber Tendenzen an. 2017 wurden im hohen Norden 47 Gewalttaten von rechts verübt, 19 von links. Die linken Taten stehen meistens im Kontext von Protesten gegen rechte Aktivitäten. Eine Frage stellt die Studie nicht: Wie sähe der Widerstand gegen Rechte ohne die Linke aus?
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