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„Die Gresselmaniaist wirklich verrückt“

Der deutsche Fußballprofi Julian Gressel erzählt, warum er in den USA seinen Traum lebt

Interview Felix Meininghaus

Der Treffpunkt mit Julian Gressel in der Innenstadt der Millionenmetropole Atlanta hat einen lustigen Namen: „Dancing Goats Coffee Bar“ – also das Café der tanzenden Ziegen. Der Fußballprofi aus Neustadt an der Aisch wohnt direkt um die Ecke. Der 25-Jährige betritt den Laden und bestellt sich einen Cappuccino. Er wirkt entspannt.

taz: Herr Gressel, Mit welchem Ziel starten Sie in die Saison? Titelverteidigung?

Julian Gressel: Genau. Wenn du mal so weit oben gestanden hast, willst du da wieder hin. Wir haben zwar mit Miguel Almirón, der in die Premier League zu Newcastle United gegangen ist, unseren größten Star verloren, dafür aber mit Pity Martinez einen super Spieler bekommen, der in Südamerika zum Spieler des Jahres gewählt wurde.

Einen neuen Trainer gibt es auch: Frank de Boer, der 112 Länderspiele für die Niederlande absolviert und Ajax Amsterdam in die Champions League geführt hat. Wie ist Ihr erster Eindruck?

Hervorragend. Es ist anders als in der letzten Saison unter „Tata“ Martino.

Der ist auch eine Koryphäe, er hat den FC Barcelona und die argentinische Nationalmannschaft trainiert.

Es ist schon ein Privileg, unter solchen Leuten zu trainieren.

Was unterscheidet den einen vom anderen?

Zunächst einmal kann ich mich mit Frank de Boer richtig unterhalten, was mit „Tata“ Martino nicht so ging, weil er nur Spanisch kann. Zum anderen vertritt de Boer die europäische Schule. Er hat ganz andere Ansichten als Martino. „Tata“ war die Vaterfigur, die über der Mannschaft geschwebt hat. De Boer ist näher dran am Team.

Warum ist Martino gegangen, nachdem er gerade Meister geworden war?

Die Gründe kennt nur er allein. Ich glaube, dass er seine Familie vermisst hat, die in Argentinien geblieben ist. Ich habe die Zeit mit ihm genossen und bin ihm dankbar, weil ich viel von ihm lernen konnte.

Sie gehen in den USA in Ihre dritte Saison. In der ersten wurden Sie Rookie of the Year, in der zweiten Meister. Leben Sie Ihren Traum?

Ja, natürlich ist das ein Traum. Ich hab damals den großen Schritt gewagt und bin auch ein Risiko eingegangen, als ich in dieses Land gekommen bin. Als Management-Student war Fußball nicht meine erste Priorität, umso toller ist es für mich, dass ich hier in Atlanta auf ­Anhieb eingeschlagen habe.

Die Fans honorieren das, es gibt in Atlanta in Anlehnung an das Spektakel „Wrestlemania“ T-Shirts zu kaufen, auf denen „Gresselmania“ zu lesen ist.

Das ist wirklich verrückt, die Sache wurde zu einem Riesending. Das liegt bestimmt auch an meiner Spielweise. Ich bin einer, der gern richtig körperlich zur Sache geht. Das hat den Fans offenbar gefallen.

Und: Haben Sie das T-Shirt?

Na klar, meine gesamte Familie auch.

Man glaubt es kaum, aber Sie absolvieren Ihre Heimspiele regelmäßig vor 55.000 Zuschauern.

Das ist ein irres Gefühl, das schaffen viele Bundesligisten nicht. Fußball hat in den letzten Jahren hier in den USA enorm an Popularität gewonnen. Vor allem natürlich in Atlanta. Das ist hier eine richtige Fußballstadt geworden.

Sie haben der Stadt eine große Sehnsucht erfüllt, weil sie seit 1995 weder im Football noch im Baseball und im Basketball einen Titel gewinnen konnte.

Wir haben uns letztes Jahr gesagt, dass wir hier zu Legenden werden, wenn wir endlich einen Titel nach Atlanta holen. Dass es dann vor 70.000 Fans im eigenen Stadion geklappt hat, war überragend.

Julian

Gressel

25, spielt seit 2017/18 in der Major League Soccer für Atlanta United und wurde mit dem Klub letzte Saison Meister. In Deutschland kickte er zuletzt beim TSV Neustadt/Aisch in der Landesliga Bayern.

Apropos Legenden: Sie haben in Chicago gegen Ihr Idol Bastian Schweinsteiger gespielt.

Das war ein cooles Erlebnis. Er war seit 2006 immer mein Spieler, es war einfach toll, gegen ihn zu spielen.

Haben Sie sein Trikot bekommen?

Ja, wir haben uns auch länger unterhalten.

Schweinsteiger verdient in Chicago 5,4 Millionen Dollar pro Saison, Sie in Atlanta angeblich 93.000. Ist das nicht ungewöhnlich, dass die Liga die Gehälter der Spieler veröffentlicht?

Nicht angeblich, ich verdiene das tatsächlich. Auf der einen Seite finde ich es gut, diese Transparenz zu haben. Auf der anderen Seite ist das schon ein komisches Gefühl, wenn auf der Straße jeder weiß, wie viel du verdienst.

Sehen Sie Ihre fußballerische Zukunft in den USA?

Ich bin in Deutschland aufgewachsen und verfolge jede Woche die Bundesliga. Wenn ich eine Chance bekomme, dahin zu wechseln, würde ich sie gerne wahrnehmen.

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