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Schikane vor Angstklausur

Studierende und Beschäftigte der Universität in Kiel klagen über schlechte Bedingungen und Probleme an einem Institut. Die Uni weist die Vorwürfe zurück

Von Esther Geißlinger

Klima der Angst, Schikane, Mobbing – es fallen drastische Begriffe, wenn Studierende und Beschäftigte über die Lern- und Arbeitsatmosphäre eines In­stituts der Kieler Christian-Albrecht-Universität berichten. Die Universität weist die Vorwürfe zurück. Das Institut für Geschichte ist in einem hässlichen Beton-Zweckbau untergebracht: Wer in Kiel studiert, tut es nicht wegen der Schönheit. Auf den langen Fluren ist es ruhig: Wenige Wochen vor den Prüfungen sind viele Studierende mit dem Lernen beschäftigt.

Die Aushänge auf den Fluren werben für Vorträge oder selbst organisierte Freizeitgruppen. Eigentlich ganz normal. Doch auf taz-Anfrage berichten Studierende von Ärger mit zwei Professoren des Instituts. Probleme bereitet demnach eine Klausur, die lernaufwendig und bei der die Durchfallquote hoch sei. Das sei „Horror“, sagt einer. Die Auswendiglernerei gehe „völlig an den Inhalten des Fachs vorbei“, sagt ein Gesprächspartner. „Es scheint manchmal, als würden Studies als Feinde betrachtet.“ Da die Klausur Pflicht sei und mehrmaliges Durchfallen zum Ende des Studiums führen könne, „sagen einige, sie gingen lieber weg aus Kiel“.

Ihre Namen wollen die Studierenden nicht nennen: Das sei nicht ratsam, meint eine Studentin: „Wenn die Profs einen Namen mit Kritik verbinden, ist man erledigt.“ Dabei kritisiert der betreffende Dozent selbst offenbar gern: Wer zu seiner Vorlesung zu spät komme, würde öffentlich „fertig gemacht“ und „gedemütigt“: Etwa mit dem Rat, sich besser um einen Taxischein zu kümmern, da es mit einem Job im Studienfach ohnehin nicht klappe.

Teilweise – bis es zu viele Beschwerden gab – soll der Dozent die Hörsaaltür verschlossen haben, um Verspätete nicht in den Raum zu lassen. Auch Beschäftigte des Instituts berichten über Probleme, in einem Fall kam es zu einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung. Der betreffende wissenschaftliche Mitarbeiter spricht von Mobbing: Er hätte sein Büro verlegen sollen – doch das neue Gebäude war noch gar nicht fertig gestellt. Und dann sei er zu Hilfstätigkeiten eingesetzt worden, hätte Bücher sortiert statt zur Lehre zu kommen. Derzeit ist der Mann krankgeschrieben.

Weder die Universität noch der Personalrat wollen sich zu diesem Streit äußern. Doch grundsätzlich sagt Personalrätin Yvonne Garbers: „Wir sehen uniweit mehr Beratungsfälle, aber besonders in diesem In­stitut häufen sich die Beschwerden.“ Was da geschehe, sei „für eine Universität nicht angemessen“. Der Hauptkritikpunkt: „Es passiert von Seiten der Universitätsleitung nicht sehr viel, um diese Probleme zu lösen.“ So fehle eine Anti-Mobbing-Richtlinie und der gesetzlich vorgeschriebene Kodex für gute Beschäftigung.

Der Universitätssprecher Boris Pawlowski weist die Kritik zurück: „Der Vorwurf, die Uni-Leitung würde sich nicht kümmern, ist falsch. Es ist ein Thema, mit dem sich alle zuständigen Gremien schon mehrfach befasst haben und weiter befassen.“ Die genannten Richtlinien seien in Vorbereitung, müssten aber mit allen Hochschulen im Lande abgestimmt werden.

Es passiere von Seiten der Universitätsleitung wenig, um die Probleme zu lösen, so die Kritik

Zeitlich ist der Protest von Studierenden und Beschäftigten gut abgepasst: Am Mittwoch steht Uni-Präsident Lutz Kipp zur Wiederwahl. So ist es vielleicht nicht nur Zufall, dass ein Vorfall, der sich vor einem Jahr ereignete, ausgerechnet jetzt publik gemacht wird. Es ging wieder um die besagte „Horror-Klausur“. Studierende versammelten sich vor dem Klausurraum – aber der war bereits besetzt. „Wir sind mit 300 Leuten über den Campus gezogen und haben einen neuen Raum gesucht“, berichtet ein Student. „Ich dachte, das ist ein Witz, und gleich kommt die versteckte Kamera“, sagt er. Gerade bei der „Angstklausur, vor der sicher viele Leute nicht gut geschlafen haben“, sei das belastend gewesen. „Die Profs erwarten extrem viel von uns – da müssen sie selbst aber auch für gute Bedingungen sorgen“, findet der Student.

Pawlowski erklärt die Panne mit der großen Zahl an Studierenden und Veranstaltungen aufgrund des doppelten Abitur-Jahrgangs: „Der Raum war doppelt gebucht gewesen.“ Generell sei es das gute Recht aller Dozierenden, den Stoff nach eigenem Ermessen aufzubereiten. „Zum vollständigen Bild gehört auch, dass es Tutorien gibt, die auf diese Klausur vorbereiten, die aber nur von wenigen Studierenden besucht werden“, sagt Pawlowski.

Lehrevaluationen zeigten für beide kritisierte Dozenten „Bewertungen im vorderen Bereich oder gutem Mittelfeld“. Bei Problemen könnten sich Studierende an zahlreiche interne Stellen wenden, „Fachschaft, Studiendekan, AStA“, zählt Pawlowski auf. „Bislang ist eine solche Ansprache ausgeblieben.“ Stimmt, gibt ein Student zu. Wenn man selbst durch ist mit der Klausur, kümmere man sich nicht mehr weiter drum.

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