: Schwerer Weg zum Rechtgegen Konzerne
Welche Möglichkeiten Betroffene besitzen, um gegen international tätige Unternehmen zu klagen
Opfer von Menschenrechtsverletzungen, an denen westliche Konzerne beteiligt sind, erhalten oft juristische Hilfe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus den Heimatländern der Konzerne. Um Schadenersatz zu erstreiten, gibt es verschiedene Wege.
Zunächst wird eine Klage am Ort des Schadens geprüft. Ein Schadenersatzprozess zum Beispiel in Pakistan kann sich jedoch über Jahrzehnte hinziehen. Außerdem gilt die dortige Justiz als korruptionsanfällig.
Selbst wenn ein positives Urteil am Ort des Schadens erstritten wurde, können sich Probleme mit der Vollstreckung ergeben, wenn sich das Unternehmen aus dem entsprechenden Staat zurückgezogen hat wie im Fall Chevron.
Vollstreckungsprobleme ergeben sich auch, wenn der Schaden nicht von einer Tochtergesellschaft des westlichen Konzerns verursacht wurde, sondern von einem Zulieferer. Dann kann das Urteil nur in einem Staat vollstreckt werden, in dem der Konzern seinen Sitz oder eine Niederlassung hat. In Deutschland werden aber zum Beispiel Urteile der pakistanischen Justiz nicht automatisch anerkannt, weil die pakistanische Justiz deutsche Urteile auch nicht automatisch anerkennt. Es fehlt also an der Gegenseitigkeit. Dann muss separat geprüft werden, ob das ausländische Urteil auch in Deutschland vollstreckbar ist. Das ist allerdings kein Spezialproblem von Klagen gegen Konzerne.
NGOs unterstützen deshalb gerne Klagen in den Heimatländern der Konzerne, zum Beispiel in Deutschland. So können sie auch besser Öffentlichkeitsarbeit machen und Spenden einwerben. Die Konzerne trifft die negative Publicity eines solchen Prozesses härter, weil sie vor allem in ihren Absatzmärkten auf ein gutes Image angewiesen sind.
Auch wenn ein derartiger Prozess in Deutschland stattfindet, gilt dann aber doch das Recht des Schadensortes, also zum Beispiel das pakistanische Zivilrecht. Dessen Tücken, etwa im Verjährungsrecht, sind für hiesige Juristen manchmal schwer überschaubar. Deshalb scheiterte jüngst auch der Prozess der Opfer und Angehörigen eines pakistanischen Fabrikbrandes gegen das deutsche Textilunternehmen KiK am Landgericht Dortmund.
Schwierig ist auch die Zurechnung der Handlungen von bloßen Zulieferern in der Lieferkette. Welche Vorgaben muss ihnen der Konzern machen? Wie muss er diese Vorgaben überprüfen? Hier ist vieles ungeklärt. NGOs und Teile der Industrie fordern daher ein Gesetz, das menschenrechtliche Sorgfaltspflichten festlegt. Die NGOs hoffen, so die Zurechnung verbessern zu können. Die Industrie hofft dagegen vor allem auf Rechtssicherheit. Sie will wissen, was sie tun muss, um eine Zurechnung des Fehlverhaltens von Zulieferern vermeiden zu können.
Der auf UN-Ebene diskutierte Rechtsrahmen zur Durchsetzung von Menschenrechten in der Wirtschaft brächte hier nicht viel Hilfe. Der erste Entwurf von Juli 2018 schreibt vor allem fest, dass Opfer sowohl am Schadensort als auch am Sitz des Auftraggebers klagen können müssen. Der Vertragsentwurf sieht also vor allem Pflichten der Staaten vor und enthält keine direkten Vorgaben an die Unternehmen.
Christian Rath
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