: Pflege nicht „missbilligenswert“
Landessozialgericht Niedersachsen urteilt über sozialwidriges Verhalten bei Hartz-IV-Empfängern
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Sitz in Celle hat in drei Urteilen aufgezeigt, wo aus seiner Sicht ein sozialwidriges Verhalten anfängt. In einer Schwerpunktsitzung in Bremen ging es in den verschiedenen Verfahren um die Frage, ob Menschen Grundsicherungsleistungen des Jobcenters behalten dürfen, wenn sie ihre Hilfsbedürftigkeit selbst und „in missbilligenswerter Weise“ herbeigeführt haben, wie das Gericht am Montag mitteilte.
So urteilte das Gericht im Falle eines 51-jährigen Hartz-IV-Empfängers aus Emden, dass das Jobcenter rechtmäßig Geld zurückforderte. Der Mann hatte nach dem Tod eines Onkels von 2011 an zunächst von dessen Erbe gelebt, 2013 allerdings bereits wieder Grundsicherungsleistungen bezogen. Innerhalb von zwei Jahren verschwendete er nach Auffassung des Gerichtes ein Vermögen von insgesamt rund 200.000 Euro. Ein solches Ausgabeverhalten sei nach Überzeugung des Gerichts grob fahrlässig.
Auch im Fall eines 49-jährigen Taxifahrers aus Ostfriesland erachtete das Gericht Rückforderungen des Jobcenters von rund 7.800 Euro für rechtmäßig. Der Mann war während der Arbeitszeit mit seinem Taxi zu einem Biergarten gefahren und hatte dort Mobiliar entwendet und mit dem Auto abtransportiert. Sein Arbeitgeber sprach daraufhin die fristlose Kündigung aus.
Im dritten Fall gab das Gericht hingegen nicht dem Jobcenter, sondern einer 38-jährigen Frau recht. Sie lebt mit ihrer schwerbehinderten Mutter im Landkreis Osterholz. Die Frau hatte eine Vollzeitstelle angenommen. Zugleich kümmerte sie sich um die Pflege ihrer Mutter. Nachdem sich deren Gesundheitszustand verschlechtert hatte, konnte sie Arbeit und Pflege nicht mehr vereinbaren und schloss mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewertete das Jobcenter als sozialwidriges Verhalten. Das Gericht schloss sich dem allerdings nicht an. Die Pflege sei mit der Arbeit im Schichtsystem auf Abruf nicht zu vereinen. (epd)
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