piwik no script img

Weißrussische Pflicht

Bei der Eiskunstlauf-EM tritt das deutsche Team mit bescheidenen Aussichten an. Über die Wahl des Gastgebers ist man unglücklich

Von Marina Mai

In dieser Woche werden die Europameisterschaften im Eiskunstlauf erstmals in Weißrusslands Hauptstadt Minsk ausgetragen. Die letzte Diktatur Europas empfängt 37 Einzelläufer, 36 Läuferinnen, zwölf Paare und 25 Eistanzteams aus ganz Europa, darunter neun Sportler der Deutschen Eislaufunion (DEU).

„Ich bin ein politischer Mensch und nicht erfreut über den Austragungsort,“ sagt DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf der taz. „Aber die Internationale Eislaufunion hat die Meisterschaften dorthin vergeben. Da gehe ich davon aus, es gibt eine Gewähr, dass unseren Sportlern nichts passiert.“ Man müsse aber, so Dönsdorf, „fragen, warum die Wettkämpfe dorthin vergeben wurden“.

Eistanzbundestrainer Martin Skotnitzki kennt von früheren kleinen Wettkämpfen die Bedingungen in Minsk. „Die Einreisekontrolle ist sicher schwierig. Aber Eishalle und Hotel sind gut ausgestattet und erreichbar wie andernorts in Europa auch.“ Eine besondere Vorbereitung seiner Sportler auf den politisch schwierigen Austragungsort hält der Trainer nicht für nötig. „Die sind ja keine Kinder mehr. Sie sind erwachsene Menschen.“

Dönsdorf zufolge hätte es im Vorfeld Irritationen gegeben, ob die Reise- und Aufenthaltskosten der deutschen EM-Teilnehmer aus öffentlichen Mitteln getragen werden. „Aber der DOSB hat dann entschieden, dass es keine Probleme gibt. Im Sommer finden ja die wichtigen Europaspiele für die Sommersportler ebenfalls in Minsk statt. Das sind zum Teil wichtige Qualifikationswettkämpfe. Da können deutsche Sportler nicht fehlen.“ Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagt, die Kosten dürften aus öffentlichen Mitteln getragen werden. Dies sei auch früher so gewesen.

Indes sind nach dem voraussichtlichen Karriereende der Olympiasieger im Paarlauf Aljona Savchenko/Bruno Massot sowie nach Verletzungen und Krankheiten fast aller noch verbliebenen Leistungsträger in dieser Saison die Aussichten der deutschen Teilnehmer eher bescheiden.

Am besten sieht es da noch im Paarlaufen aus. Die deutschen Meister Minerva Hase/Nolan Seegert werden sicher in die Top Ten laufen. Durch Absagen mehrerer internationaler Konkurrenten sind nur noch elf Paare überhaupt am Start. Die Berliner gehören zudem zu den wenigen deutschen Eiskunstläufern, die die Saison ohne gesundheitliche Probleme überstanden und sich stark verbessert haben. Sie haben neue Würfe gelernt und sind im Ausdruck gereift. Dönsdorf zufolge bereiteten sie sich vor der EM bei einem russischen Toptrainer in Moskau mental und technisch auf den Saisonhöhepunkt vor. Die Olympiateilnehmer Annika Hocke/Ruben Blommaert haben hingegen ihre Teilnahme kurzfristig aus Krankheitsgründen abgesagt.

Bei den Männern müsste der einzige deutsche Starter Paul Fentz auch in die Top Ten laufen, um für das nächste Jahr einen zweiten Startplatz zu erkämpfen. „Das ist natürlich sein Ziel und im Normalfall sollte er das auch schaffen“, sagt Dönsdorf der taz. Doch vom Normalfall ist Fentz, der das komplette erste Drittel der Saison verletzungsbedingt verpasst hat, weit entfernt. Mit Vierfachsprüngen, die an der internationalen Spitze ein Muss sind, tut er sich schwer und auch die Wettkampfstabilität ist bei dem Berliner nicht garantiert.

Bei den Eistänzern treten mit Shari Koch/Christian Nüchtern Debütanten an, die in Mailand bei Meistermacherin Barbara Fusar Poli trainieren und sich in dieser Saison stark verbessert haben. Auf eine Prognose, welchen Platz sie erreichen könnten, wollen sich weder Dönsdorf noch Bundestrainer Skotnitzki einlassen. „Anders als im Einzellauf, wo man mit technischen Höchstschwierigkeiten auch als Debütanten weit nach vorn kommen kann, muss man sich im Eistanzen erst bei den Preisrichtern einen Namen machen“, sagt Skotnitzki. „Sie müssen sich hinten anstellen, haben aber Glück, dass nach der olympischen Saison viele Spitzenpaare aufgehört haben und auch andere Nationen Neulinge zur EM schicken.“ Wer den Titel haben will, muss die Franzosen Gabriella Papadakis/Guillaume Cizeron bezwingen.

Bei den Frauen wäre alles andere als ein rein russisch besetztes Podium ein Wunder. Die Frage ist nur, in welcher Reihenfolge Alina Sagitowa, Stanislava Konstantinova und Sofia Samo­durova dort stehen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen