Greenpeace-Experte über MSC Zoe: „Enorme Verunreinigung der Strände“
Peilsender hätten nach der Container-Havarie der MSC Zoe helfen können. Das sagt Manfred Santen, der Chemieexperte bei Greenpeace.
taz: Herr Santen, 270 Container hat der Riesenfrachter „MSC Zoe“ auf dem Weg nach Bremerhaven verloren. Mindestens drei von ihnen mit Gefahrgut. Ein Sack mit Dibenzoylperoxid wurde an einer niederländischen Nordseeinsel angeschwemmt. Welche Auswirkungen hat das Bleichmittel im Wasser und für wen kann das gefährlich sein?
Manfred Santen: Peroxid ist im Wasser nicht sofort löslich und es ist auch nicht so reaktiv, dass man fürchten müsste, dass die zündbare Eigenschaft bei den Temperaturen zum Tragen kommt. Dennoch ist es stark schleimhautreizend und eine gefährliche Chemikalie – der Kontakt und das Einatmen von Pulverpartikeln ist zu vermeiden. Wenn die Säcke beschädigt sind und die Chemikalie ins Wasser gelangt, dann sind sicherlich auch Wasserorganismen gefährdet.
Handelt es sich also um eine Chemiekatastrophe?
Nein, das ist es nicht. Ein Hauptproblem ist die enorme Verunreinigung der Strände, schließlich sind es Unmengen von Materialien, die angeschwemmt werden. Dazu gehört haufenweise Verpackungsmaterial wie Plastik und Styropor, der durch die Gezeiten zerkleinert wird, was eine Gefährdung für Fische darstellt.
Weiß man von anderen giftigen Substanzen beim Gefahrgut?
Bisher weiß man noch nicht viel darüber, ob andere Gefahrgüter eine Rolle spielen oder was genau über Bord gegangen ist. Sorgen wird es bereiten, wenn diese Container in Richtung Ärmelkanal treiben und in der Wasserstraße noch viel größeren Schaden anrichten.
ist als Experte bei Greenpeace tätig, ausgebildeter Diplom-Chemiker und veröffentlichte Fachpublikationen zu diversen Schadstoffthemen.
Weltweit stürzen jährlich etwa 1.500 Container ins Meer. Jetzt werden Rufe nach Peilsendern laut. Was halten Sie von der Maßnahme?
Wir halten es für sinnvoll, Gefahrgut-Container mit einem Ortungssystem oder Peilsendern auszustatten. Das gewährleistet, die Ladung mittels GPS auch finden zu können, wenn sie sich unter Wasser befindet. Manche Systeme sind beispielsweise mit Bojen ausgestattet, die sich bei einem Verlust automatisch lösen und das Orten erleichtern. Unterschiedliche Systeme sind in Erprobung oder auf dem Markt, aber offenbar noch nicht flächendeckend eingerichtet. Im Fall der MSC Zoe wäre es sonst einfacher gewesen, die verlorenen Container zu finden. Deswegen fordern wir, dass solche Gefahrgut-Container mit einem Ortungssystem ausgestattet werden.
Warum wurden Peilsender für Container bisher kaum eingesetzt?
Ich schätze mal, das ist eine Kostenfrage. Die Technologie steht bereit, da sind also die Reedereien gefragt. Auch ist unklar, wie es überhaupt passieren kann, dass bei solchen Wetterbedingungen ein derartiger Schaden entsteht.
Und was ist jetzt zu tun?
Natürlich müssen die Container geborgen werden. Havarien dieser Art lassen sich aber nicht vollständig ausschließen. Je mehr Konsumgüter auf der Welt verbraucht werden, desto mehr wird auch transportiert werden. Die Konsumgesellschaft hat also ihren Anteil daran und muss abwiegen, wie viel Güter über weite Strecken gehen sollen. Grundsätzlich ist die Containerschifffahrt aber eine der sichereren Transportmethoden.
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