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Amtsverlust ohne Machtverlust: So mauschelte Kabila die Wahl

Felix Tshisekedi, Führer von Kongos größter Oppositionskraft, wird zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Die Zweifel sind groß, dass das dem Willen der Wähler entspricht. Eher dem Willen des scheidenden Präsidenten

Von Simone Schlindwein (Kigali) und Dominic Johnson

Es ist eine Überraschung: Der Oppositionspolitiker Felix Tshi­sekedi soll neuer Präsident der Demokratischen Republik Kongo werden. Tief in der Nacht zum Donnerstag erklärte die Wahlkommission in Kinshasa den Führer der Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom 30. Dezember. Er soll auf Joseph Kabila nachfolgen, der das Land seit 2001 regiert.

Laut amtlichen Zahlen erhielt Tshisekedi 38,57 Prozent der Stimmen, knapp vor dem eigentlich favorisierten anderen Oppositionskandidaten Martin Fayulu mit 34,83 Prozent. Emmanuel Shadary, Kandidat der Regierung von Präsident Joseph Kabila und dessen designierter Wunschnachfolger, liegt abgeschlagen bei 23,84 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit rund 47 Prozent ziemlich niedrig.

In einer Ansprache im Radio versprach Tshisekedi, er werde als Präsident „für alle Kongolesen“ arbeiten. Er bezeichnete Präsident Kabila als „wichtigen politischen Partner“ und dankte auch seinen Rivalen, mit welchen er zusammen­arbeiten wolle, um einen „besseren Kongo aufzubauen“.

Für die UDPS ist es eine historische Revanche. Die UDPS war in den 1990er Jahren Speerspitze des Kampfes gegen die Mobutu-Diktatur. Sie sieht sich als Hüterin des Erbes der Demokratiebewegung des Landes, die ein ums andere Mal um die Macht betrogen worden sei. Felix Tshisekedi ist der Sohn des 2017 verstorbenen UDPS-Gründers Etienne Tshi­sekedi, der bei Kongos letzter Wahl 2011 durch Manipulation um den Sieg gegen Kabila betrogen worden war.

In Kinshasa feierten am Donnerstagmorgen jubelnde UDPS-Anhänger. „Ich freue mich für das kongolesische Volk, denn niemand hatte gedacht, dass dieser Wahlprozess friedlich ablaufen würde. Alle dachten, dass es zu Auseinandersetzungen, Gewalt und Blutvergießen kommt“, so Tshisekedi im Radio.

Fayulu hingegen sprach von einem „Putsch durch Wahlen“. Aus seiner Sicht ist Tshisekedi ein Verräter: Im November hatten Kongos wichtigste Oppositionsparteien den eher unbekannten 62-jährigen Geschäftsmann Fayulu zu ihrem gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gekürt – gefördert von zwei Schwergewichten, die beide nicht selbst antreten durften: Moise Katumbi und Jean-­Pierre Bemba. Doch gleich nach der Heimkehr kündigte der 55-jährige Tshisekedi das Bündnis auf und erhielt seine eigene Kandidatur aufrecht.

Während des Wahlkampfes im Dezember zog Fayulu die größten Menschenmassen an. Dass er die Wahlen gewonnen haben könnte, steht im Raum, seit Kongos katholische Bischofskonferenz (Cenco), die mit 40.000 Wahlbeobachtern flächendeckend den Urnengang beobachtete, vergangene Woche erklärte, dass sie wisse, wer gewonnen habe, und die Wahlkommission aufforderte, das „wahre“ Ergebnis nicht zu verschweigen.

Als sich abzeichnete, dass Kabilas Kandidat verliert, gab es Krisentreffen der Militärs

Am Donnerstagmittag erklärte Cenco in Kinshasa, die Zahlen der Wahlkommission „stimmen nicht mit den von unserer Beobachtermission gesammelten Daten überein“. Das Gesetz sieht jetzt eine 10-Tage-Frist vor, in welcher die Rivalen vor dem Verfassungsgericht das Ergebnis anfechten können. Aus dem Fayulu-Lager heißt es, dass man eine solche Klage wahrscheinlich anstreben werde.

„Diese Ergebnisse haben nichts mit der Wahrheit zu tun, die die Wahlurnen bezeugen“, sagte Fayulu bereits am Morgen. Im Osten des Landes kam es zu ersten Protesten, die sich rasch legten. In Kikwit, Hauptstadt von Fayulus Heimatprovinz Bandundu, gab es schwere Unruhen; sechs Menschen wurden von der Polizei erschossen.

Der jetzt in Aussicht stehende friedliche Machtwechsel wäre dennoch der erste in der gewaltsamen Geschichte des Kongo. Kabila war 2001 als 30-jähriger Sohn seines ermordeten Vaters Laurent-Désiré Kabila, der 1997 an der Spitze einer Rebellion die Mobutu-Diktatur gestürzt hatte, vom Militär an die Macht gehievt worden und baute mit Hilfe der Armee seine Macht in den vergangenen 17 Jahren nach und nach aus.

Doch viele Kongolesen haben Zweifel. „Tshisekedi war Kabilas Plan B, um zu versuchen, die Lage zu beruhigen“, sagt Chrispin Mvano, Parlamentskandidat in Masisi nahe Goma im Ostkongo. Es bestand die reale Gefahr, dass das Land in Gewalt abdriftet, sollte Kabilas Wunschnachfolger Shadary, ein ehemaliger Innenminister, zum Sieger erklärt werden und die Opposition dann vereint auf die Straße gehen.

Kongos eigentliche Machtsäule ist der Sicherheitsapparat, und er ist Kabila hörig. Der scheidende Präsident hat auch die Kontrolle über die Provinzgouverneure, den Geheimdienst, die Finanzen und die Rohstoffe. Das wird sich auch unter einem Präsidenten Tshisekedi nicht ändern.

Als sich abzeichnete, dass Shadary die Wahl verlieren würde, gab es in Kinshasa am Samstag Krisensitzungen der Militärs. Befürchtungen wurden laut, dass Generäle auf San­ktionslisten enden, wenn sie Massenproteste niederschlagen. Einige hochrangige Generäle kritisierten Shadary und bestanden auf anderen Optionen.

Kurz nach diesem Treffen wandte sich Kabila an Tshisekedi. Am selben Tag verkündete die Wahlkommission, dass die vorläufigen Ergebnisse sich auf unbestimmte Zeit verzögern. Die UDPS bestätigte Anfang der Woche Gespräche mit dem Kabila-Lager. Ab Montag wurden vor dem Haus von Tshi­sekedi und dem UDPS-Sitz in Kinshasa Soldaten der Präsidentengarde gesichtet, um Tshisekedi zu schützen.

Viele sagen, dass es geheime Absprachen zwischen Kabila und Tshisekedi schon vor den Wahlen gab. „Diese Leute haben mit Kabila verhandelt, damit er an der Macht bleiben kann“, kritisiert Fayulu. „Kabila wird weiter die Geschäfte managen, diese Leute haben keine Macht“.

Eigentlicher Wahlsieger wäre demnach Kabila selbst. Während seine Gegner jetzt gespalten sind, lässt er sich in Kinshasa auf Plakaten als „Vater der Demokratie“ feiern.

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