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Da stimmt was nicht

Früher hat Daniel Schwartz Kriege fotografiert. Mittlerweile fotografiert er Zeugnisse des Klimawandels: Gletscher

Den Gletscher hört man, sagt er. Das Geröll und den Stein. Es knackt, rieselt, der Gletscher ist in Bewegung. „Es braucht bloß einen Tritt oder ein seismografisches Wackeln, um das Ich zu bezwingen“, meint ­Daniel Schwartz. Aber deshalb durchwandere er die Gebirge nicht, den Passu- und den Pastorurigletscher, in Pakistan und in Peru. Schwartz ist nicht auf der Suche nach dem großen Mensch-in-der-Natur-Moment. Dem Gefühl auf 6.000 Metern Höhe, im Grunde ein Nichts zu sein.

Im Gegenteil, er gibt sich „dem nicht hin“. Die Topografie führe ihn an irgendeinen Ort – und … „da finde ich dann was“. Da versucht er dann eine Ordnung herzustellen, „den Blick zu organisieren“. Weil es chaotisch ist da oben, zwischen Rillen und Klüften, Schmelzwasser, Eis und Schlamm. Sowieso sei seine Erkenntnis dort nicht: blau und toll. Die Erkenntnis sei vielmehr: Da stimmt was nicht.

Daniel Schwartz, der lange Kriege und ihre Folgen fotografiert hat, in Afghanistan, Kaschmir, Vietnam, Kambodscha, Indonesien, im Iran; der ein tausendseitiges Buch über Zentralasien geschrieben hat, „Schnee in Samarkand“ – für einen Fotografen eigentlich eine „Evidenz des Scheiterns“, sagt er, zumal er nur einen Menschen kenne, der es ganz gelesen habe: Er also steigt nun auf Gipfel. Manchmal sogar in dem Land, in dem er aufgewachsen ist, der Schweiz. Schließlich sehe man auch hier den Klimawandel genau; „ganz genau, was passiert“. Schließlich sehen die Gletscher auch hier nicht mehr alle frisch aus, nach weißer Märchenlandschaft und endlos weitem Idyll. Sie sind oft grau. Sie wirken grob. Trocken und benutzt. Als sei Lava über sie geflossen und hätte ihren Boden verbrannt. Als stünden sie in der Wüste. Bei manchen hat Schwartz schon gedacht: Das ist doch kein Berg mehr. Das ist doch ein Tier. Eines, dem man Fell und Haut abgezogen hat. Sein Skelett klemmt jetzt im Felsen.

„Diese verlorenen 25 Jahre“, in denen man das Klima mit oder ohne Bedenken zugerichtet hat, will er mit seinen Bildern zeigen. „Gletscher-Odyssee“ heißt Schwartz’ Serie, und auch wenn man Schönheit in ihr findet – Kristallstrukturen, Wolken, die in Abgründen verschwinden, kleine Erdkrümel, die sich wie Ameisen durch Frost fräßen –, so liegt über jeder Aufnahme dieselbe Bedrohung. Schwartz’ Anklage an die „Eigennutzgesellschaft“, wie er sagt. Sein Vorwurf an die Politik, „die sogenannte Elite“. „,The movers of the world‘.“ Er fragt: „Was habt ihr eigentlich gemacht?“ Und liefert seine Antwort, schwarz auf weiß. Mitunter gleich als Triptychon.

Fragt man Schwartz: Warum müssen Ihre Bilder dokumentarisch sein?, sagt er: „Weil der Mensch ein Talent hat, sich die Dinge zurechtzulegen, wie er sie braucht.“ Oder er erklärt’s auf Schweizerdeutsch. „Ich misstrau allem, wo behauptet, so muss es si.“ Annabelle Seubert

Ausstellung: Daniel Schwartz, „Gletscher-Odyssee“. Bündner Kunstmuseum, Chur, Schweiz. Bis 17. Februar 2019. www.buendner-kunstmuseum.ch

Buch: Daniel Schwartz, „While the Fires Burn. A Glacier Odyssee“. Thames Hudson, London 2017.

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