das portrait: Tjark Goergeswill neue Regeln für Nationalparks
Hier schießt der Chef selbst. Jann Bengen, CDU-Ratsherr und Ratsvorsitzender der kleinsten ostfriesischen Insel Baltrum, ist im Hauptberuf Hotelier und Freizeitjäger. In letzterer Funktion schießt er Vögel und Gänse im Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer für die Speisekarte seines Hotelrestaurants. Fasan an Sanddornsauce mit Rotkraut und Kartoffelrosetten.
Bengen behauptet in Pressegesprächen, die Jagd im Wattenmeer, immerhin deutsches und europäisches Schutzgebiet, drohe eingeschränkt zu werden. Obwohl das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hinter dem Rücken des Umweltministeriums die Jagdpachten im Wattenmeer für vier Inseln – darunter Baltrum – für neun Jahre erneuert hat, forderte CDU-Mann Bengen im Baltrumer Rat den Ausstieg aus dem Nationalpark.
Seine CDU-Freunde auf der ostfriesischen Insel Juist sehen das ähnlich, so berichtete jedenfalls die dortige Inselpresse. Laut Bericht wollen sie „eine nachhaltige Entwicklung im Einklang mit der Natur“ ermöglichen. Die Anwendung des Nationalparkgesetzes würde dies aber verhindern. Am 13. Dezember soll die CDU-Ratsfraktion in einer Gemeinderatssitzung die Verwaltung Juists aufgefordert haben, den Ausstieg aus dem Nationalpark rechtlich abklären zu lassen.
Der parteilose Bürgermeister von Juist, Tjark Goerges, stellt gegenüber der taz klar: „Die entsprechende Pressemeldung über den CDU Antrag ist falsch. Niemand will aus dem Nationalpark aussteigen.“ Aber, so der Bürgermeister, das Nationalparkgesetz entspreche nach über zwanzig Jahren nicht mehr den Bedürfnissen der Insulaner. Goerges fordert ein Gespräch zwischen Nationalparkverwaltung, Umweltministerium und Inselvertretern.
Die kleinen Inseln, insbesondere Juist und Baltrum, seien gegenüber den größeren Inseln und schon gar gegenüber den Nachbarländern, Schleswig-Holstein, Niederlande und Dänemark im Nachteil, erklärt der Juister Bürgermeister. Zum einen würden in den Nachbarländern der Schutz des Wattenmeeres nicht so restriktiv betrieben, zum anderen seien auf Juist die Flächen und damit die Handlungsmöglichkeiten schlichtweg begrenzt.
Konkret fordert er für seine Insel neue Wege für Reiter, ein Angebot für Kitesurfer, die Erlaubnis für Segler, weiterhin im Wattenmeer trocken zu fallen, mehr Flächen für Ausgleichsmaßnahmen auch im Nationalpark sowie vertretbare Möglichkeiten, Hafenschlick zu verklappen.
„Wir müssen den Insulanern und unseren Gästen Angebote machen, sonst steht unsere Insel vor dem Ausverkauf“, meint der Bürgermeister, der bis zu seiner Wahl 2016 Referent für Nachhaltigkeit bei der Rewe Group war. Auf Juist würden zwar die Gästezahlen steigen – aber nur in der Altersgruppe der über Vierzigjährigen. Thomas Schumacher
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