: Wenn die Badewanne überläuft
Erster schwerer Sturm gleich zu Jahresbeginn
Die erste schweren Ostsee-Sturmflut des Jahres sorgte am Mittwoch für Aufregung an der schleswig-holsteinischen Ostküste, aber nur für mäßige Sachschäden. In Lübeck war das Wasser nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie auf 1,79 Meter über den mittleren Stand gestiegen. Das sei der höchste Wert im Land gewesen, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes. Ab 1,50 Metern gilt eine Sturmflut als schwer.
In den Hafenstädten wurden Straßen überflutet, Keller liefen voll, in Badeorten wie Scharbeutz, Heiligenhafen und Hohwacht wurden Strände weggespült. Alles reparabel – bis zum nächsten Mal. Und das wird schneller kommen als bisher üblich. Denn schon wieder schlug der für die Ostsee typische „Badewanneneffekt“ zu, von dem nicht wenige Fachleute fürchten, dass er sich im Zuge des Klimawandels verstärken wird.
Frische Westwinde hatten seit Silvester das Wasser in Richtung Schweden und Baltikum gedrückt. Als am 2. Januar der Nordoststurm einsetzte, wurde der Wasserberg zurück an die südlichen Küsten gedrückt – in der Lübecker und Kieler Bucht, in der Flensburger und Kieler Förde schlugen die Wellen hoch an die Dünen und Deiche.
Drastischer noch, bis zu zwei Meter hoch, war das Wasser Anfang 2017 und 2006 gestiegen, und immer nach demselben Muster. Ein sehr ähnliches Szenario hatte bereits 1872 die bis heute schlimmste Sturmflut aller Zeiten an der Ostsee über die Küsten Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns hereinbrechen lassen. Tagelang hatten starke Weststürme das Wasser Richtung Baltikum gedrückt. Über Nacht drehte der Wind um 180 Grad: Vom 11. bis 13. November peitschte ein schwerer Nordost-Orkan zwei Tage lang das Wasser in die Lübecker und Mecklenburger Bucht zurück, die Flutwelle erreichte eine Höhe von 3,50 Metern. 271 Menschen starben, 654 Schiffe wurden beschädigt oder zertrümmert, fast 3.000 Häuser verschwanden vom Erdboden, Zehntausende Nutztiere ertranken.
So schlimm wurde es nie wieder, so schlimm kann es aber wieder werden. Denn die Meeresspiegel in Nord- und Ostsee werden sich nach Prognosen des Weltklimarats im ungünstigsten Fall um 82 Zentimeter bis zum Ende des Jahrhunderts erhöhen. Und es werde deutlich mehr und heftigere Stürme geben – und damit würde die Badewanne noch häufiger und dramatischer überlaufen.
An der Nordsee verlief der Sturm glimpflich. Lediglich die 270 Container, die vom Frachter „MSC Zoe“ fielen, bereiten an der ostfriesische Küste Sorgen. Erste Stahlkisten wurden am Freitag auf Borkum angespült, Giftstoffe fanden sich darin zwar nicht, aber von den meisten Containern fehlt noch jede Spur. Sven-Michael Veit
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