: Kunst, nicht Kunsttherapie
Die Ateliergemeinschaft der Schlumper wünscht sich mehr Inklusion im Kunstbetrieb
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Von Philipp Effenberger
Das Atelier der Schlumper liegt in der Alten Rinderschlachthalle in Hamburg. Bunte Farbspritzer bedecken den Boden. Die Wände der hohen und hell ausgeleuchteten Halle sind bestückt mit farbenfrohen Kunstwerken. „Momentan sind hier 34 KünstlerInnen fest im Atelier“, sagt Anna Pongs-Laute, die Atelierleiterin und Tochter des 2013 verstorbenen Gründers Rolf Laute. Alle KünstlerInnen haben entweder eine geistige Behinderung oder eine psychische Erkrankung. Ungefähr im Verhältnis 70 zu 30, schätzt Pongs-Laute.
Sie und drei weitere Assistentinnen sind täglich im Atelier, um die KünstlerInnen zu unterstützen. Sie wissen, wer lieber ungestört arbeiten will, wer am besten in der Gruppe kann und sie helfen am Ende des Tages beim Aufräumen. In die künstlerische Arbeit greifen sie nicht ein. „Wir machen hier keine Kunsttherapie“, sagt Pongs-Laute.
Das Atelier wird wie eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung betrieben. Hauptträger ist die evangelische Stiftung Alsterdorf, ehemals Alsterdorfer Anstalten. Viele Schlumper der Gründungsjahre kamen aus der Einrichtung im Hamburger Norden, in der das Zeit Magazin 1979 unhaltbare Zustände aufdeckte.
Viele BewohnerInnen litten damals unter willkürlichen und drakonischen Strafen des Personals. Werner Voigt, ein Schlumper der ersten Stunde, zeigt in seinem Gemälde „Alsterdorfer Passion“, wie er vom Personal gequält und gedemütigt wurde. Heute hängt das Gemälde in der Vorstandsetage der Stiftung Alsterdorf.
Die Schlumper gründeten sich Ende der 80er-Jahre unabhängig von den Skandalen, betont Atelierleiterin Pongs-Laute. Ihr Vater Rolf Laute war der Sohn des Verwaltungsleiters in Alsterdorf und lebte vom 7. bis zum 17. Lebensjahr auf dem Gelände. Die Kinder der Angestellten und Kinder mit Behinderung spielten zusammen. Der Umgang sei selbstverständlich gewesen, sagte Rolf Laute später in einem Interview. Laute studierte später Kunsterziehung und arbeitete nebenbei als Künstler. 1978 gestaltete er zusammen mit BewohnerInnen aus Alsterdorf das Foyer eines Jugendhauses. Am Ende fragten die Beteiligten: Was machen wir als Nächstes?
1984 ergab sich die Möglichkeit, im Keller des Stadthauses Schlump ein Atelier einzurichten. Ein Jahr später gründete sich der Verein „Freunde der Schlumper“, der die KünstlerInnen bis heute finanziell unterstützt. 1998 zog das Atelier vom Schlump in die alte Schlachthalle und nahm den etablierten Namen „Schlumper“ mit. Der Höhepunkt war eine Ausstellung der Schlumper in der Hamburger Kunsthalle 2005/2006.
Ziel sei es, die KünstlerInnen als Individuen zu zeigen, sagt Pongs-Laute, und nicht als Menschen mit Behinderung. Die Erlöse aus den Verkäufen gehen allerdings ans Atelier – flösse das Geld direkt zu den KünstlerInnen, würden sie entsprechend weniger vom Sozialamt bekommen. So beziehen sie ein Werkstattgehalt, das sich nicht an Verkaufszahlen orientiert. Das sei „fairer“, meint Pongs-Laute.
Seit 2014 betreiben die Schlumper eine eigene Galerie im Karoviertel. An den bis zu sechs Ausstellungen pro Jahr nehmen auch Nicht-Behinderte teil – ihrem Ziel sind die Schlumper damit schon ziemlich nahe.
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