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Ärgernisse in Serie

Die berauschend offensiven Hoffenheimer erweisen sichgegen Mönchengladbach erneut als Meister der Ineffizienz

Stehen sich selbst im Weg: Hoffenheim 2018 vor dem gegnerischen Tor Foto: dpa

Aus HoffenheimTobias Schächter

Am Barton Square in Manchester werden alte Fußballtrikots verkauft. Wer sucht, findet in diesem Geschäft Trikots aus aller Welt. Aus aktuellem Anlass stellten die Betreiber letzte Woche dort auch ein Textil der TSG Hoffenheim aus, das Auswärtstrikot der Badener aus der Saison 2011 war dort für 23 Pfund zu haben. Die Hoffenheimer verabschiedeten sich ja am Mittwoch mit einem 1:2 bei Manchester City von dem bisher größten Abenteuer ihrer Vereinsgeschichte. Kein Sieg ist ihnen in der Champions League gelungen, aber viel Lob gab es für den Neuling.

Viel Lob, aber zu wenig Ertrag – das ist auch in der Liga die bislang nervende Bilanz für die Hoffenheimer. Am Samstag ärgerten sie sich über ein 0:0 gegen den Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach. In der zweiten Halbzeit war es Einbahnstraßenfußball in Richtung Borussen-Tor, der Abpfiff war für Gladbach eine Erleichterung, für Hoffenheim ein Ärgernis. Gegen Gladbach mussten sich die Hoffenheimer schon zum fünften Mal in dieser Runde mit einem Remis zufriedengeben. Und das nicht, weil der Gegner so gut verteidigt hätte, sondern weil sie wieder einmal Chancenwucher betrieben. In der Statistik stehen 25:4 Torschüsse für Hoffenheim. Kein Team der Liga spielt mehr Chancen heraus – aber keins vergibt auch so viele.

TSG-Trainer Julian Nagelsmann sprach hinterher sogar von der „vielleicht besten Leistung“ in seiner Amtszeit. Das war womöglich übertrieben, angesichts seiner bisherigen Erfolge: Rettung vor dem Abstieg und danach Platz 3 und Platz 4 in der Liga, die Spiele in der Europa und Champions League bedeuteten.

Nagelsmanns Elf spielte drei Tage nach der Niederlage in Manchester gegen Gladbach frisch und kreativ. In der zweiten Hälfte schien fast ein Klassenunterschied zwischen beiden Teams zu bestehen. Nun hat Gladbach aber in der Hinrunde sieben Punkte mehr erzielt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wenn man so häufig aus seiner Überlegenheit kein Kapital schlägt, dann ist das nicht nur eine freche Ungerechtigkeit des Fußballgottes. Das weiß auch Nagelsmann, er sagte: „Es ist nicht immer nur Pech, der Ball muss halt auch mal rein.“ Am Samstag flog dieser nach Joelintons Heber nur an den Pfosten (61.) oder nach einem Schuss von Belfodil ans Außennetz (88.) und nach einem Kopfball von Ermin Bicakcic VfL-Torwart Yann Sommer ans Knie (90.). Aber das waren nur die besten von vielen guten Torgelegenheiten. „Wir haben die heute komplett auseinandergeschraubt, aber das Tor war wie verhext, das Ding wollte einfach nicht rein“, haderte Bicakcic.

Nagelsmann sprach von der „vielleicht besten Leistung“in seiner Amtszeit

Aus persönlichen Gründen ärgerte sich Andrej Kramaric. Der beste Hoffenheimer Offensivspieler war stinksauer über seine Auswechslung in der 60. Minute. Schon auf dem Platz kommentierte der Vizeweltmeister aus Kroatien sein vorzeitiges Arbeitsende mit einem Kopfschütteln. Hinterher sagte er verärgert: „Ich wäre heute mit einem gebrochenen Bein vor dem Tor liegengeblieben und hätte darauf gewartet, ein Tor zu machen.“ Kramaric hatte in jedem der letzten neun Pflichtspiele für Hoffenheim und die kroatische Nationalmannschaft getroffen. Das, so behauptete er, hätten bisher nur Messi (9-mal) und Ronaldo (10-mal) geschafft. Die Chance, mit diesen Ausnahmekönnern gleichzuziehen, gebe es nur einmal im Leben, meckerte Kramaric: „Ich hätte nie gedacht, dass ich so sauer bin nach so einer großartigen Serie.“ Das habe er auch dem Trainer gesagt, der, laut Kramaric, von all dem nichts gewusst haben wollte und sich bei ihm nach dem Spiel entschuldigt habe.

Wie auch immer: Hoffenheim hat es bisher unter Julian Nagelsmann immer geschafft, an den Rückschlägen zu wachsen. Man darf gespannt sein, ob die TSG noch einmal einen Kraftakt in Richtung Champions-Plätze schafft, bevor der Trainer im Sommer zu RB Leipzig wechselt.

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