die dritte meinung: Wie bei der Versorgung psychisch Kranker doch alles noch gut enden könnte, schreibt Ariadne Sartorius
Ariadne Sartorius
ist Petentin und Beisitzerin des Vorstands des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten .
Die größte Petition, die es je im Deutschen Bundestag gab – über 160.000 zeichneten sie online, über 40.000 unterschrieben auf Listen –, hat gewirkt. Jens Spahn und andere signalisieren die Bereitschaft zum Gespräch. Als Petentin freut mich das.
Warum die Petition so wichtig ist? Kaum 1,5 Jahre nach Einführung der neuen Psychotherapierichtlinie, die mit Hilfe von psychotherapeutischen Sprechstunden Menschen in seelischen Krisen zeitnah Zugang zum Therapeuten ermöglichen soll, wurde quasi über Nacht ein neuer Passus in den Kabinettsentwurf hineingeschrieben. Der sieht eine gestufte Versorgung mit einem vorgeschalteten Gutachter vor – das aber würde definitiv nicht zu einer Verbesserung für psychisch kranke Menschen führen. Vielmehr würden die, denen es nicht gelingt, schweres Leid, Traumata und schambesetzte Inhalte einem nicht frei gewählten, fremden Menschen zu berichten, um an ein Ticket für die Psychotherapie zu kommen, dadurch aus der psychotherapeutischen Versorgung ausgeschlossen.
Die Menschen wollen keine vorgeschalteten Gutachter, denen sie erst beweisen müssen, dass sie „wirklich krank“ sind. Sie empfinden es als Diskriminierung psychisch Kranker, wenn Spahn indirekt unterstellt, sie seien nicht krank. Über 200.000 Menschen haben deshalb unterzeichnet.
Meine Berufsgruppe der Psychotherapeuten hat viele gute Ideen und Ansätze, um Menschen zu helfen, nicht gestuft, aber sehr wohl in guter Kooperation. Wir wollen uns vernetzen und mit anderen Behandelnden und unseren Patienten zusammenarbeiten, auch in der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Psychotherapie. Bereits jetzt wird die Mehrzahl der Patienten vom Hausarzt zum Psychotherapeuten geschickt. Wichtig ist außerdem die längst fällige Überarbeitung der Bedarfsplanung, denn selbstverständlich sind die Wartezeiten dort geringer, wo es mehr Psychotherapeuten gibt. Nun hat Jens Spahn signalisiert, sich mit uns auszutauschen. Wir sind bereit. Denn unser Ziel ist die Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen.
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