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Putin und Poroschenko giften sich an

Aus Kiew Bernhard Clasen

Nach der militärischen Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine im Asowschen Meer am Sonntag hat sich am Mittwoch erstmals Russlands Präsident Wladimir Putin geäußert. Dieser Vorfall, so Putin, sei eindeutig eine Provokation gewesen, sagte Putin am Mittwoch bei einem Finanzforum in Moskau. Derzeit seien die Umfragewerte des ukrainischen Präsidenten Petro Proschenko so schlecht, dass er es bei den Wahlen 2019 wohl nicht mal in den zweiten Wahlgang schaffen könnte. „Und deswegen musste er irgend etwas tun, um de Situation zu verschärfen und unüberwindbare Hindernisse für seine Konkurrenten zu schaffen“, zitiert die russische Internetzeitung kommersant Putin.

Die russische Küstenwache hatte am Sonntag in der Straße von Kertsch vor der Halbinsel Krim drei ukrainische Marineschiffe beschossen und aufgebracht. Mehrere ukrainische Marinesoldaten wurden dabei verletzt, 24 Besatzungsmitglieder wurden festgenommen; einige werden jetzt des illegalen Grenzübertritts angeklagt. Am Montag beschloss das ukrainische Parlament auf Antrag von Poroschenko ein 30-tägiges Kriegsrecht in den Grenz- und Küstenregionen der Ukraine. Am Mittwoch setzte Poroschenko das Kriegsrecht durch seine Unterschrift in Kraft.

Am Dienstag warf Poroschenko Russland eine massive Truppenverlegung vor. Die russische Armee habe die Zahl der Panzer an ihren Stellungen entlang der Grenze verdreifacht, sagte Poroschenko im ukrainischen Fernsehen. Auch die Zahl der dort stationierten Einheiten sei „dramatisch gestiegen“. Es bestehe die Gefahr eines „umfassenden Krieges“. Die russische Armee kündigte an, ihre Truppen auf der Krim mit Luftabwehrraketen zu verstärken.

Der russische Politologe Pawel Felgenhauer sagte im TV-Sender Svoboda, das harte russische Vorgehen zeige, dass Putin über die Absicht der Ukraine, in der Hafenstadt Berdjansk eine Marinebasis zu bauen, aufgebracht sei. Den Seeweg vom Don über den Wolga-Don-Kanal und das Asowsche Meer ins Schwarze Meer würden russische Kriegsschiffe nehmen, die durch den Bosporus ins Mittelmeer zum Einsatz vor Syrien führen. Eine ukrainische Militärbasis am Asowschen Meer könnte dies stören. Putin mache deutlich, dass er die Ukraine zwingen will, die russische Annexion der Krim zu akzeptieren.

Der ukrainische Politologe Alexander Musienko äußerte gegenüber der taz die Vermutung, dass Russland einfach habe austesten wollen, wie weit es gehen könne. Das strategische Ziel Russlands, so Musienko, sei die vollständige Kontrolle des Asowschen Meeres. Zuerst habe Russland die Brücke von Kertsch gebaut und die Reaktion des Westens getestet. Nichts sei passiert. Dann habe man ukrainischen Schiffen die Zufahrt zu den ukrainischen Häfen Mariupol und Berdjansk erschwert. Wieder sei nichts passiert. Und nun sei Russland zum Angriff auf ukrainische Schiffe übergegangen. (mit rtr, afp)

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