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CDU entdeckt Sozialismus

Die Christdemokraten fordern in einem Papier, dass sich die Stadt an einer weiteren Reederei beteiligt. Die Hafenwirtschaft ist irritiert über den Sinneswandel

Im Hafen löste der Vorschlag der CDU für mehr Verstaatlichung Kopfschütteln aus

Von Hermannus Pfeiffer

Die Hamburger CDU scheint ihren Glauben an die Kräfte des freien Marktes verloren zu haben. Mit einem Zehn-Punkte-Plan will sie den „Hafen wieder in die Offensive bringen“ und die über 150.000 Arbeitsplätze für die Stadt sichern. Neben Änderungen bei der Flächenvermietung und einer verstärkten staatlichen Hafenfinanzierung sieht der Plan auch die Beteiligung der Stadt an einer weiteren Reederei vor.

Seit 2007 haben die Hauptkonkurrenten des Hamburger Hafens, Rotterdam und Antwerpen, um jeweils 27 Prozent zugelegt. Im selben Zeitraum verlor Hamburg elf Prozent seines Umschlagsvolumens. Und auch für dieses Jahr weisen die jüngsten Zahlen aus dem Oktober auf einen weiteren Rückgang hin, berichtete Dienstag der Unternehmensverband Hafen Hamburg. Die CDU blickt mit Sorge auf die Hafenentwicklung und fordert den Senat zum Handeln auf.

So soll die Stadt neben ihrem Engagement bei der globalen Linienreederei Hapag-Lloyd den Einstieg bei einer sogenannten Feeder-Reederei prüfen. „Zur strategischen Positionierung in diesem Bereich“, heißt es in dem Papier.

Kleinere Feederschiffe übernehmen häufig die Waren, die aus Asien und Amerika nach Hamburg strömen, um sie nach Großbritannien, Skandinavien oder in die östliche Ostsee weiter zu transportieren. Durch eine Minderheitsbeteiligung der Stadt an einer Reederei, so hofft die CDU, kann Hamburg Marktanteile zurückgewinnen und große Reedereien wie die französische CMA CGM oder die dänische Maersk stärker an die Stadt binden.

In der Vergangenheit hatten die marktfreundliche CDU und FDP die Beteiligung der Stadt an Hapag-Lloyd als ordnungspolitisch bedenklich kritisiert. Als Hamburg vor sechs Jahren seinen Anteil an der Traditionsreederei um weitere 420 Millionen Euro erhöhte, lehnte die CDU dies entschieden ab.

Bei den Christdemokraten gab es nun offenbar ein Umdenken: Als Aktionär der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) solle sich der Senat außerdem dafür einsetzen, die Beteiligung an weiteren auswärtigen Terminals zu prüfen. Die HHLA hatte im März den größten estnischen Terminalbetreiber erworben.

Die politische Kehrtwende überrascht Beobachter umso mehr, als bei dem CDU-Papier keine Hinterbänkler am Werk waren. Stattdessen zeichnen Spitzenpolitiker wie Landeschef Roland Heintze und der maritime Fachsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Rüdiger Kruse verantwortlich.

Im Hafen löste der Vorschlag Kopfschütteln aus. Hafen-Präsident Gunther Bonz hält den Verstaatlichungsvorschlag der CDU für „zu kurz gesprungen“. Angesichts des Ausbaus der Häfen in Göteborg, Danzig und Sankt Petersburg fahren immer mehr große Schiffe direkt in die Ostsee. Um Hamburg wieder attraktiver zu machen, so Bonz, bedarf es vor allem der Fahrrinnenanpassung. Die Elbvertiefung dürfte 2021 fertig sein.

Auch HHLA-Vorstand Heinz Brandt sieht die Probleme woanders: Mit einer staatlichen Reederei „wäre nichts besser“. Wohin die Ladung geht, entscheide letztlich der Markt und das sind vor allem große, global operierende Reedereien sowie internationale Logistikkonzerne wie Kühne+Nagel. Bei der neuen Köhlbrandquerung, die bis 2030 aus bautechnischen Gründen ersetzt werden muss, stellen sich die Hafenunternehmen hingegen hinter die CDU: Sie favorisieren gegenüber einer neuen Brücke einen Tunnel. Der müsse allerdings für Gefahrgüter zugelassen werden.

Am morgigen Freitag will der CDU-Landesvorsitzende Roland Heintze das Hafenpapier offiziell vorstellen. Diskutiert und beschlossen werden soll es auf einem Kleinen Parteitag am kommenden Dienstag.

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