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Lust auf Experimente

Als Olympiasiegerin muss sich Mariama Jamanka höheren Erwartungen stellen. Der Umzug nach Oberhof soll die Basis für weitere Erfolge sein

Von Klaus-Eckhard Jost

Mariama Jamanka hatte wahrlich niemand auf der Rechnung, als am 21. Februar im Sliding Center in Pyeong­chang die Medaillen im Bobfahren der Frauen ausgefahren wurden. Umso größer empfand die 28-Jährige den Triumph, den sie gemeinsam mit ihrer Anschieberin Lisa Buckwitz feiern konnte. Genossen hat die Berlinerin die Wochen danach, als sie zu Ehrungen und Empfängen eingeladen wurde. Doch spätestens am Freitag beginnt mit dem ersten Rennen in Sigulda der Alltag wieder.

Trotzdem wird für Jamanka nichts mehr so sein wie davor. Jedes Mal wenn ihr Name genannt wird, kommt automatisch der Zusatz „Olympiasiegerin“. Das weckt Erwartungen. Und ist verbunden mit Hoffnungen. Die Sportlerin, die sich den Charakterzug „grüblerisch“ attestiert, ist sich dessen bewusst. „Ich weiß, dass mich die Konkurrenz nun schlagen will. Aber das verängstigt mich nicht“, sagt sie. Sie gibt aber auch zu, dass ihr Selbstbewusstsein durch den Erfolg nicht gewachsen sei.

Als Olympiasiegerin steht Mariama Jamanka, die Tochter einer Deutschen und eines Gambiers, natürlich stärker im Mittelpunkt. In diese Rolle musste sie aber erst hineinwachsen. „Eigentlich mag ich das nicht, wenn mich alle angucken. Es ist okay, ich kann das auch, aber wenn es nach mir ginge, bräuchte ich das nicht.“ Vor allem in Oberhof, ihrer momentanen Heimat, werde sie häufig um Selfies gebeten. Aber auch in ihrer Heimat Berlin wird die 1,70 Meter große dunkel­häutige Sportlerin auf der Straße erkannt. „Aber eher nur in meinem Bezirk Kreuzberg“, schränkt sie dann ein.

Leicht gefallen ist ihr der Abschied aus Berlin nicht. „Ich gehe gerne feiern“, gibt sie zu. Da sind die Möglichkeiten in Oberhof eher bescheiden. „Für mich war Oberhof immer eine sportliche Entscheidung“, sagt die Pilotin. Dass sie immer noch in einem Zimmer in der Kaserne lebt, zeigt auch, dass sie noch nicht wirklich in dem 1.600 Einwohner großen Wintersportort in Thüringen angekommen ist. „Im Frühjahr werde ich mir eine Wohnung suchen“, sagt sie. Vorher lohne sich das nicht. „Vom 1. Januar an bin ich sechs Wochen am Stück im Weltcup unterwegs, danach geht’s noch zur WM nach Whistler.“

Jamanka war Hammerwerferin, davor beim Ballett, und geritten ist sie auch

Dort will sie eines ihrer nächsten großen Ziele erreichen: „Ich möchte auch mal Weltmeisterin werden.“ Und den Gesamt-Weltcup wolle sie auch einmal gewinnen. „Der hat für mich einen ganz hohen Stellenwert“, erläutert sie, „weil er bedeutet, dass man eine gesamte Saison eine Konstanz auf einem so hohen Niveau gezeigt hat.“ Doch dafür wird sie ein Weltcup­rennen gewinnen müssen.

Dass ihr in dieser Saison weiter Fahrten gelingen, die Jamankas hohen Ansprüchen sehr nahe kommen, dafür soll Annika Drazek sorgen. Die 23-Jährige gilt als die stärkste Anschieberin im deutschen Team. Vor Olympia jedoch setzte Bundestrainer René Spies sie nach zwei Jahren in den Schlitten von Stefanie Schneider. „Dass wir jetzt wieder zusammen fahren, freut mich“, sagt die Pilotin, „wir haben uns menschlich immer sehr gut verstanden.“

Je mehr Schub zu Beginn des Eiskanals, desto höher die Geschwindigkeit. Die freut den Adrenalin-Junkie Jamanka. Sie sucht auch außerhalb der Eisröhre immer mal wieder den Kick. „Ich bin schon zweimal Fallschirm gesprungen, obwohl ich ziemliche Höhenangst habe“, erzählt sie, „ich probiere Kitesurfen aus und gehe gern Ski fahren. Ich liebe die Geschwindigkeit.“ Diese vielfältigen Interessen zeichnen die Olympiasiegerin aus. Bevor sie sich in den Bob setzte, war sie Hammerwerferin. Davor hatte sie sich im Ballett versucht und war geritten. „Es gibt vieles, was man ausprobieren kann“, sagt sie. Auch nach dem Bobfahren werde sie andere Sportarten ausprobieren. Doch das hat noch Zeit. Bis zu den nächsten Olympischen Spielen 2022 will sie auf alle Fälle weitermachen. In Peking allerdings werden sie alle Konkurrentinnen auf der Rechnung haben.

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