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heute in hamburg„Zu wenig Reflexion über die Position“

Foto: privat

Anne Roth, 30, Diplom-Psychologin, ist Vorständin bei LARA-Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen.

Interview Frieda Ahrens

taz: Frau Roth, Sie beschäftigen sich mit Antifeminismus vor Gericht. Können Sie mir einen Fall nennen, bei dem das vorgekommen ist?

Anne Roth: Eine meiner Klientinnen wurde mit K.O.-Tropfen betäubt, vergewaltigt und hat sich trotz der Betäubung gegen den Täter massiv zur Wehr gesetzt, woran sie bruchstückhafte Erinnerungen hatte. Sie hatte auf ihrem Gesicht und Körper viele Schwellungen, Hämatome und auch innere Verletzungen, die direkt am folgenden Tag von der Gewaltschutzambulanz und der Polizei dokumentiert wurden. Der Richter hat den Täter freigesprochen mit der Begründung, dass es ja auch einvernehmliche Sexpraxen gebe, bei denen es zu Verletzungen komme und er durch die teilweise fehlende Erinnerung der Betroffenen nicht ausschließen kann, dass sie dazu eingewilligt habe.

Wie kann man sich gegen Ungerechtigkeit vor Gericht wehren?

Generell würde ich empfehlen, sich bereits vor der Vernehmung über die eigenen Rechte zu informieren. Zum Beispiel in einer Opferhilfestelle oder einen Frauenberatungsstelle. Wichtig ist, dass die Betroffenen wissen, wo­rauf sie sich mit einer Anzeige einlassen und ihnen bewusst ist, dass die Möglichkeit des Freispruchs des Täters besteht. Oft werden Gewaltbetroffene durch ihr Umfeld unter Druck gesetzt, anzuzeigen. Diejenige, die am Ende Rede und Antwort stehen muss, ist aber die gewaltbetroffene Person. Deshalb sollte diese informiert selbst entscheiden, ob und wenn, wann sie anzeigen möchte.

Welchen Einfluss haben psychologische Sachverständige in Sexualstrafprozessen?

Einen sehr großen. Ein psychologischer Gutachter wird von dem Richter erst dann angefordert, wenn aufgrund der vorliegenden Beweise kein Urteil gefällt werden kann. Daher fällen die psychologischen Gutachter in diesen Fällen eigentlich das Urteil, denn es passiert nur sehr selten, dass ein Richter gegen die Expertise eines Gutachters entscheidet.

Warum ist das so schlimm?

Vortrag Antifeminismus vor Gericht – Über die Macht psychologischer Sachverständiger in Sexualstrafprozessen: Uni Hamburg, Von Melle Park 5, Raum 0079, 19 Uhr.

Generell ist das Prinzip eines neutralen Experten nicht verkehrt. Doch wir leben in keinem luftleeren Raum und die Gutachter sind teilweise von gesellschaftlichen Strukturen beeinflusst und voreingenommen. So spielt auch hier oft auch die Herkunft, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, der Bildungsgrad, die psychische und körperliche Gesundheit oder das Arbeitsumfeld der Gewaltbetroffenen eine Rolle. Es findet meiner Meinung nach viel zu wenig Reflexion über gesellschaftliche Machtverhältnisse und die eigene gesellschaftliche Position statt.

Auch Männer werden Opfer. Warum wird das oft außen vor gelassen?

Ich denke, mit dem Wandel der feministischen Debatte wird sich auch dies ändern.

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