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Nordkoreas Kim Jong Un wird zur Ikone

Das Regime hat jetzt das erste offizielle Porträt seines jungen Machthabers zur Schau gestellt.

Aus Seoul Fabian Kretschmer

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat am Sonntag Kubas Präsidenten Miguel Díaz-Canel auf Pjöngjangs Flughafen empfangen. Das eigentlich Berichtenswerte war ein überlebensgroßes Gemälde im Hintergrund: Denn erstmals präsentierte das Regime ein offizielles Porträt von Kim Jong Un. Unverkennbar stammt es aus den Mansudae Kunststudios, der staatlichen Kulturfabrik. Es zeigt einen lächelnden Kim Jong Un in westlichem Anzug und schwarz gerahmter Malcom-X-Brille.

„Die Ähnlichkeit zu den Porträts von Kim Il Sung und Kim Jong Il ist eindeutig“, sagt der deutsche Nordkorea-Forscher Martin Weiser. Dass Nordkoreas Machthaber in dritter Generation auf dem öffentlichen Bildnis seinem Vater und Großvater gleicht, deuten Experten als Versuch des Propagandaapparats, den Führerkult um Kim Jong Un anzukurbeln und ihn auf die Stufe seiner Ahnen zu heben. Weiser widerspricht: „Das ist keine neue Stufe der Regimepropaganda, sondern viel mehr ein banales Porträt, das man eben bei Staatsbesuchen präsentieren möchte.“

Im Personenkult um die Kim-Familie spielen offizielle Porträts eine zentrale Rolle. Die Konterfeis von Staatsgründer Kim Il Sung und seinem 2011 gestorbenen Sohn Kim Jong Il sind allgegenwärtig: Sie hängen in jedem Gebäude des Landes und als Anstecker an der linken Brust der meisten Nordkoreaner. Zudem gibt es sie als Bronzestatuen in den Stadtzentren. Die Porträtgemälde unterliegen strengen Regeln: Sie dürfen nur an leeren Wänden hängen und müssen regelmäßig entstaubt werden. Touristen dürfen sie nur vollständig fotografieren.

„Nordkoreas Personenkult hat kurz nach der Staatsgründung in Sachen Extravaganz rasch seine osteuropäischen Bruderstaaten übertroffen“, schreibt Brian R. Myers in seinem Standardwerk über Nordkoreas Propaganda „The Cleanest Race“. In den 60er Jahren wurde Kim Il Sungs Biografie als Widerstandsheld gegen die japanischen Besatzer mythisch „aufpoliert“, zudem wurde ihm retrospektiv die Autorenschaft etlicher Theaterstücke und Manifeste zugeschrieben. Als er 1972 seinen 60. Geburtstag feierte, hingen bereits mehr Porträts von ihm im Land, als es jemals in der Sowjetunion unter Stalin oder China unter Mao Zedong der Fall war.

Der 34-jährige Kim Jong Un war bisher von diesem extremen Führerkult ausgenommen. Nun scheint seine Macht genug gefestigt, um im Propagandanarrativ des Regimes mit seinem Vater und Großvater aufzuschließen. Sein offizielles Porträt bildet dafür den Grundstein.

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