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Der Bauernhof im Supermarkt

Ein Berliner Start-up baut Salat und Kräuter direkt im Supermarkt an. Es wirbt damit, dass die Lebensmittel mit wenig Dünger und ohne Transportwege angebaut werden können. Ist diese Art, Lebensmittel zu produzieren, wirklich ökologisch sinnvoll?

Sieht öko aus, ist es aber nicht unbedingt: Petersilie Foto: Infarm

Aus Berlin Friederike Meier

Ein Supermarkt in Berlin. Neben der Gemüseabteilung, zwischen einem Regal mit Blumenzwiebeln und einem mit Kohlebriketts zum Heizen stehen zwei große Glaskästen. Sie sehen aus wie überdimensionierte, lila-hell beleuchtete Öfen. Auf den weißen Blechen, die darin in mehreren Etagen befestigt sind, liegen allerdings keine Brötchen oder Brezeln. Dort wachsen Petersilie, Minze, Eiskraut oder Koriander. An die 600 Samen hat Infarm im Sortiment.

„Farmen“ nennt Guy Galonska, Mitgründer des Berliner Start-ups Infarm, die großen Glaskästen. Seine Idee: Kräuter direkt dort anzubauen, wo sie verkauft werden. Er hat das Start-up 2013 zusammen mit seinem Bruder und dessen Partnerin gegründet. Mittlerweile betreibt es 23 solcher Farmen in Berliner Edeka-Märkten, 2 bei Metro.

Doch warum direkt im Supermarkt? „Ein großer Vorteil ist, dass die Menschen die Kräuter, die sie später kaufen, wachsen sehen können“, sagt Galonska. Außerdem könnten die einzelnen „Farmen“ den Wünschen der Kunden angepasst werden: „In Moabit bauen wir andere Kräuter an als in Ludwigsfelde oder in Neukölln. Dadurch kann einerseits mehr verkauft werden, andererseits wird weniger Abfall produziert“, erklärt er.

Verkauft wird das Gemüse an einem Verkaufspunkt in den Supermärkten – meist direkt neben der Farm. Zweimal in der Woche kommen Infarm-Mitarbeiter – vom Start-up selbst „Stadtwirte“ genannt – zum Ernten.

Die meisten Prozesse in den Farmen laufen aber automatisch. Licht bekommen die Pflanzen von starken LED-Lampen, die direkt über den Blechen aufgehängt sind, die Wurzeln stehen im Wasser. Das zirkuliert innerhalb der Farm und enthält auch den Dünger. „Im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft brauchen wir bis zu 70 Prozent weniger Dünger und viel weniger Wasser“, erklärt Guy Galonska. Außerdem verwendet Infarm keine Pestizide.

Was den ökologischen Fußabdruck von Salat aus der „Farm“ vergrößern dürfte, ist allerdings der Stromverbrauch: „Die meiste Energie brauchen wir für das Licht – etwa 75 Prozent, dann kommt die Kühlung und ein bisschen für die Pumpen“, erklärt Galonska. Die Farmen in den Supermärkten haben eine maximale Leistung von 1.400 Watt. „Der tatsächliche Energieverbrauch variiert aber sehr stark je nach Jahreszeit, Ort und angebauten Sorten“, erklärt Galonska.

Infarm hat berechnet, dass für einen Salatkopf für die gesamte Produktionskette 400 bis 500 Gramm CO2 emittiert werden – beim durchschnittlichen Strommix in Deutschland. „Das ist relativ wenig. Wenn man auf erneuerbare Energien umstellt, fällt der Wert auf fast null“, sagt Galonska. Außerdem würden durch die wegfallenden Transportwege – zum Beispiel im Vergleich zu Salat aus Spanien – ohnehin Emissionen gespart.

„Ein Vorteil ist, dass die Menschen die Kräuter wachsen sehen können“

Guy Galonska, Infarm

Auch Daniel Schubert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Gewächshausmodulen beschäftigt, nennt den wegfallenden Transport als großen Vorteil von solchen „vertikalen“ – weil mehrstöckigen – Farmen in der Stadt. Für ihn sind sie besonders interessant, weil mit ihnen auch Astronauten auf anderen Planeten mit Nahrung versorgt werden können. Schubert glaubt, dass vertikale Farmen auch auf der Erde immer wichtiger werden: „Man ist nicht abhängig vom Wetter und kann auch während einer Dürre oder im Winter Gemüse anbauen.“ Allerdings: „Fossile Energien für die Herstellung von Gemüse in der Stadt zu nutzen ist nicht sinnvoll. Der Strom sollte dann aus regenerativen Quellen kommen.“

Infarm nutzt in seinen eigenen Gebäuden, zum Beispiel in der Hauptfarm im Berliner Stadtteil Tempelhof, Ökostrom. Aber in den Edeka-Märkten? „Ich hoffe, dass wir solche Veränderungen anstoßen können“, sagt Galonska. Bisher habe er allerdings noch keinen der Märkte überzeugen können, ausschließlich Erneuerbare zu nutzen.

Dennoch expandiert das Start-up: In den nächsten Monaten will Infarm in mehrere andere deutsche Städte expandieren. Auch in Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Hannover soll es bald Mini-Bauernhöfe im Supermarkt geben. Paris und Zürich sind in Planung.

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