: Wenn das Krankenhaus zur Fabrik wird
Die Hamburger Filmemacher Leslie Franke und Herdolor Lorenz ist mit „Der marktgerechte Patient“ ein aufklärerischer Blick von unten ins durchökonomisierte Gesundheitssystem gelungen
Von Wilfried Hippen
Bei einer schweren Diabetes ist für ein Krankenhaus eine Amputation viel profitabler als eine chronische Wundbehandlung, und ein Patient oder seine Angehörigen müssen oft sehr darum kämpfen, dass ein Fuß nicht gleich abgenommen wird. Dies ist eine von den Geschichten in dem Film „Der marktgerechte Patient“, die das Vertrauen an die deutsche Gesundheitspflege nicht gerade fördern.
Aber Leslie Franke und Herdolor Lorenz geht es laut Franke nicht darum, „wie in einem Fernsehbeitrag“ möglichst dramatisch über Missstände zu berichten. Sie wollen nicht erschrecken, sondern aufklären. Und so machen sie deutlich, welches System dafür verantwortlich ist, dass Krankenhäuser in Deutschland zunehmend wie Unternehmen geführt werden, dass immer mehr Personal eingespart wird, und private Kliniken Abteilungen wie eine Geburtenstation, mit denen nur Verluste gemacht werden können, stilllegen.
Personelle Einschnitte – amputierte Gliedmaßen
Grund für zum Teil skandalöse Zustände ist die Vergütung der Krankenhäuser durch Fallpauschalen, durch die genau festgelegt wird, was für welche Behandlungsschritte gezahlt wird. Folge: Krankenhäuser werden immer mehr wie Fabriken geführt werden. Dazu gehört auch, dass rigoros Personal eingespart wird, und dafür die übriggebliebenen Ärzte und Krankenschwestern viel schneller und länger arbeiten müssen, sodass sie für den einzelnen Patienten immer weniger Zeit aufbringen können. Aus dieser Richtung könnte das System auch verändert werden, denn an der Charité in Berlin hat das Pflegepersonal – halbwegs erfolgreich – gegen den Personalabbau gestreikt und in Städten wie Hamburg und Bremen gibt es Initiativen für Volksbegehren, die fordern gesetzlich festzulegen, dass genügend Ärzte und Pfleger sich in Kliniken um die Patienten kümmern.
Franke und Lorenz haben eine Vielzahl Beteiligter und Experten befragt, die das System, das diese Missstände bedingt, offenlegen. Diese Methode haben die beiden schon in früheren Filmen wie „Wasser unterm Hammer“ und „Wer rettet wen? Die Krise als Geschäftsmodell“ entwickelt und verfeinert. Beide verstehen sich als politische Filmemacher, und diese Haltung spiegelt sich auch in der Art, wie sie ihre Filme produzieren.
In Kinos und Kirchen
Sie brachten das Geld für ihre Dokumentationen durch Crowdfunding zusammen: Sie bitten alle, die ihren nächsten Film sehen wollen, das Projekt mit Geld zu unterstützen. Ähnlich alternativ ist auch die Verbreitung. Einerseits wird der Film in Kinos gezeigt. So ist die offizielle Premiere heute Abend im Hamburger Metropolis.
Da die Förderer den Film aber unkommerziell öffentlich vorführen dürfen, und die Macher schon 2000 DVDs an sie verschickt haben, gibt es heute auch Premieren an Orten, wo sonst nur selten Filme gezeigt werden, wie im Gemeindesaal der Michaelkirche in Bremen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen