piwik no script img

Nachruf auf Rudolf GelbardEin unermüdlicher Kämpfer

Er war radikal im Kampf gegen Rechtsextremismus und ließ sich seinen Humor nicht nehmen. Jetzt ist der KZ-Überlebende mit 87 Jahren verstorben.

Rudolf Gelbard und Hannah Lessing bei einer Auszeichnung für die Widerstandskämpferin Katharina Sasso in Wien 2016 Foto: imago/Future Image

Mit 12 Jahren wurde Rudolf Gelbard ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Er überlebte und kehrte 1945 mit den Überlebenden seiner Familie nach Wien zurück. Kein Willkommen, sondern Rechtfertigungsdruck wegen ihrer die Rückkehr: „Warum seid ihr wieder da? Ich habe gedacht, ihr seid alle vergast worden!“, sagten die Nachbarn im Haus.

Rudolf Gelbard ließ sich vom regressiven Klima im Österreich der Nachkriegsjahre aber nicht einschüchtern. Er begann zu kämpfen. Um seine Eltern, die wenige Jahre später an den Folgen der KZ-Haft verstarben. Im antifaschistischen Widerstand engagiert, besetzte Gelbard zusammen mit anderen Hörsäle, in denen antisemitische Professoren ihre Lügen verbreiteten. Auf der Straße stellte er sich den „Ehemaligen“, Konservativen und deutschnationalen Burschenschafter entgegen.

Unaufhörlich warnte Gelbard vor der FPÖ und ihrem rechtsextremen Dunstkreis. Schon bei der Demonstration gegen den Holocaustleugner David Irving im Jahr 1989 war Gelbard auf der einen und der junge Heinz-Christian Strache auf der anderen Seite. Heute ist Strache Vizekanzler und deutschnationale Burschenschafter haben Ministerposten inne.

Im Kampf gegen die Enttabuisierung der FPÖ rund um den Wiener Akademikerball engagierte sich Gelbard beim bürgerlichen Gegenprotest, besuchte aber auch die lokale Antifa. Er zeigte: Antifaschismus ist kein Verbrechen, sondern eine Notwendigkeit. Sein Wissen setzte er als Waffe ein: gegen die Instrumentalisierung und Diffamierung der Opfer des Nationalsozialismus. „Der macht das nur, weil er im KZ war“, wurde ihm gesagt. Nein, er machte es, weil er ein politischer Mensch war.

Widerstand bis zuletzt

Widerstand bedeutete für ihn ehrliche Auseinandersetzung und Ausdauer. Bis zuletzt studierte der pensionierte Journalist an Wiener Bibliotheken und war bei Diskussionsveranstaltungen anzutreffen. Selbst in einer Konfrontation mit rechtsextremen Burschenschafter triumphierte er noch im Herbst letzten Jahres mit seinem umfangreichen historischen sowie politischen Wissen.

Von den Rechten ließ er sich sein Leben nicht vermiesen. Warum wir gerade in dieses Lokal gehen, fragte ihn eine Freundin. Da sind doch nur Rechte. „Glauben Sie, wir überlassen denen diesen Ort?“, antwortete Rudolf Gelbards sofort und lachte.

Rudolf Gelbard war ein außergewöhnlicher Kämpfer gegen die österreichichschen Zustände der Nachkriegsjahrzehnte und darüber hinaus. Aufrichtig und klug setzte er sich bis zuletzt gegen die gesellschaftliche Verrohung ein. Mit seinem Tod verliert die Welt nicht nur einen weiteren letzten Zeugen, sondern auch einen äußerst herzlichen und politischen Menschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!