piwik no script img

Die Risikospiele der Ultras

Die Führung des VfL Wolfsburg versucht, zusammen mit der Polizei und Projekten auf die junge Fanszene einzuwirken, um zu verhindern, dass sich Gewaltbereitschaft ausbreitet

Ruppig, aber kontrolliert: Wolfsburgs Marcel Tisserand (l) und John Anthony Brooks (r) Borussia Dortmund Manuel Akanji (M) kämpfen um den Ball Foto: Peter Steffen/dpa

Von Christian Otto

Wer den Weg vom Hauptbahnhof oder über den Mittellandkanal hinweg zum Stadion geschafft hatte, musste klaren Regeln folgen: Die Fans des heimischen VfL Wolfsburg bitte links entlang. Alle schwarz-gelb gekleideten Anhänger von Borussia Dortmund bitte rechts entlang. Was simpel klingt, hat nach Angaben der Polizei bestens funktioniert.

Die Partie der Fußball-Bundesliga war zu einem sogenannten Risikospiel erklärt worden. Warum? Weil am Samstag zu befürchten stand, dass sich nicht nur auf Freundschaft bedachte Fans begegnen. Dortmund gewann mit 1:0 (1:0). Das Netzwerk derer, die sich um ein Höchstmaß an Sicherheit rund um den Profifußball in Wolfsburg bemühen, war mit der gezielten Trennung der jeweiligen Fangruppen zufrieden.

Manches von dem, was hinter den Kulissen des bezahlten Fußballs passiert, macht fassungslos bis Angst. Dazu gehört ein Vorfall aus der Vorwoche. Ein schwelender Fanstreit hat offenbar dazu geführt, dass es zu einem gezielten Angriff auf Wolfsburger Fans gekommen ist. Die Polizei ermittelt noch in der Frage, warum vermeintliche Anhänger von Borussia Dortmund einen Regionalzug am Bahnhof in Dedenhausen gestürmt haben.

Kenner der Fanszene gehen davon aus, dass hier Streitigkeiten zwischen Ultra-Gruppen auf handfeste Weise ausgetragen werden sollten. Darüber öffentlich zu sprechen, passt nicht zum Kodex von Ultras. Die Vereinsführung des VfL Wolfsburg verzichtet auf eine Stellungnahme. Schließlich seien keine Anzeigen erstattet worden.

Um Gewalt vorzubeugen und die normale Kundschaft zu schützen, unternehmen alle Bundesligavereine gemeinsam mit der Polizei sowie den Ordnungsdiensten und Fan-Projekten vielfältige Anstrengungen. Aber ist es so wirklich möglich, auch den harten Kern der Szene zu erreichen?

„Bei uns gibt es einen vertrauensvollen Dialog mit allen Fangruppen“, versichert Carsten Ihle, Leiter Fanwesen beim VfL Wolfsburg. „Das liegt auch an guten persönlichen Beziehungen. Und ein guter Dialog gelingt nur in beiderseitigem Einvernehmen – wenn man sich um den Fan, den Menschen bemüht.“ Ihle ist Sozialpädagoge und im Auftrag des VfL mit der Szene vernetzt.

Im Frühjahr ist in Wolfsburg ein Fan-Rat gegründet worden, an dessen Anerkennung als legitimiertes Gremium gearbeitet wird. Sich konstruktiv auszutauschen – das klingt nach einem besseren Ansatz, als gegnerische Fahnen zu klauen oder sich deshalb sogar zu hauen.

Wer sich wann mit wem warum anlegt, stellt die Fanbeauftragten vor ein Rätsel

Die Fanszene in Wolfsburg ist noch jung und fällt nicht durch Gewaltbereitschaft auf. Für so manchen Wolfsburger Anhänger dürfte das Aufeinandertreffen mit etablierten Fangruppen aus großen Bundesliga-Standorten mit unschönen Erfahrungen verbunden sein. Wer sich wann mit wem warum anlegt, stellt selbst die besonders aktiven unter den Fan-Beauftragten der Vereine vor Rätsel.

Der Vorfall in Dedenhausen ist ein Einzelfall. Doch in der gesamten Liga gärt es, weil sich viele Fans gegen die Kommerzialisierung des Fußballs stellen und sich in ihren Rechten beschnitten sehen. Welche Fahne mit welcher Botschaft darf im Stadion noch gezeigt werden?

Ein Teil der VfL-Fans möchte das frühere Vereinslogo mit Zinnenwappen wieder zeigen. Vielen geht es um den Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne sowie um Mitbestimmung. Darüber zu diskutieren und gegenteilige Meinungen gelten zu lassen, ist besser, als sich gegenseitig aufzulauern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen