piwik no script img

Die Zukunft der Seilbahn ist in der Schwebe

Bis 2021 ist der Betrieb der IGA-Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf gesichert. Was danach mit ihr passieren soll, ist unklar. Die einen wollen die Bahn in den Nahverkehr integrieren, andere wollen sie auf den Teufelsberg verlegen

Von Marina Mai

Mit einer Seilbahn kann man auch in Berlin herrlich durch die Lüfte schweben: Der 1,5 Kilometer lange Weg führt von der Talstation am U-Bahnhof Kienberg in Hellersdorf über das Wuhletal zum 102 Meter hohen Kienberg und weiter zum Blumberger Damm in Marzahn. Zugegeben, im Allgäu sind die Berge höher und die Seilbahnen länger. Aber dafür ist in Marzahn-Hellersdorf das Schwebeerlebnis für 6,50 Euro zu haben, der Anfahrtsweg kurz und die Aussicht über die Feuchtbiotope im Wuhletal atemberaubend. Wenn man Glück hat, erwischt man sogar eine Gondel, deren Boden aus Glas besteht, und hat einen Rundumblick.

So schön die Aussicht in der Seilbahn ist, so unklar sind die Aussichten für die Bahn selbst: Die Attraktion wurde 2017 für die Internationale Gartenbauausstellung für 14 Millionen Euro errichtet. Ihre Stationen befinden sich außerhalb des IGA-Geländes, sodass man auch unabhängig von einem Besuch der Gärten der Welt mal eine Runde durch die Berliner Luft drehen kann. Drei Jahre lang ist die Finanzierung der Seilbahn gesichert. Was allerdings ab 2021 aus ihr werden soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.

In Marzahn-Hellersdorf sehen Vertreter aller Parteien die Seilbahn als einen Anziehungspunkt für ihren Bezirk, sie wollen sie erhalten und die Finanzierung langfristig sichern. Das Thema hat auch das Abgeordnetenhaus erreicht: Sowohl die Koalitionspartner SPD, Grüne und Linke als auch die CDU wollen die Seilbahn ab 2021 in den öffentlichen Nahverkehr integrieren, sodass man sie mit einem BVG-Ticket nutzen kann.

Der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg, der seinen Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf hat, sagte der taz: „Die Seilbahn ist ein Highlight für unseren Bezirk und ein leistungsfähiges Verkehrsmittel. Die Integration in den ÖPNV würde auch für einige Marzahner den Weg zur U-Bahn verkürzen.“ Er räumt allerdings ein, dass eine Kostenschätzung noch aussteht; die wirtschaftliche Seite des Projekts sei noch nicht diskussionsreif, so Ronneburg.

Für den Grünen Stefan Ziller passt die Seilbahn in das Konzept des Landes, Regionen außerhalb der Innenstadt für Touristen attraktiv zu machen. „Die Gärten der Welt können so mehr Besucher bekommen. Darum muss sie erhalten bleiben und in den ÖPNV integriert werden“, sagte Ziller. Das sieht die zuständige Senatsverwaltung für Verkehr allerdings anders. Im Entwurf für den neuen Nahverkehrsplan steht, die Seilbahn erfülle nicht die Anforderungen an den öffentlichen Nahverkehr. „Die von ihr bedienten Bereiche sind im Sinne der Daseinsvorsorge bereits hinreichend durch das umliegende Busliniennetz und den U-Bahnhof Kienberg erschlossen.“

Das wiederum empört die aus Marzahn stammende SPD-­Stadtentwicklungspolitikerin Iris Spranger. „Wer das geschrieben hat, kennt sich vor Ort nicht gut aus“, sagte sie der taz. In Sprangers Fraktion liegt ein Antrag zur internen Diskussion. „Wir müssen umdenken. Seilbahnen in Großstädten sind viel zu wenig im Fokus“, sagte sie. Die Seilbahn zum ÖPNV-Tarif würde für die Marzahner die Nutzung der U-Bahn erleichtern, was den Autoverkehr in die Innenstadt reduzieren könnte, argumentiert sie. „Sie ist ein umweltfreundliches und leises Verkehrsmittel, das schnell zu bauen ist und kann einen Beitrag zur Reduzierung von Feinstaub und Stickoxiden leisten.“

Spranger ist überzeugt: Wer mehr öffentlichen Nahverkehr wolle, müsse attraktive Angebote schaffen. „Funktioniert das Modell, wäre eine Seilbahn auch für andere Berliner Stadtteile als Verkehrskonzept denkbar.“ Spranger nennt dabei etwa Tegel und Spandau, die gerade neu entstehen. „Auch wenn die Seilbahn erst mal teuer werden wird, sollten wir das Geld in die Hand nehmen.“

„Eine Seilbahn wäre auch für andere Stadtteile denkbar“

Iris Spranger, SPD

Die CDU hat bereits einen Antrag ins Parlament eingebracht, wonach die Seilbahn ab 2021 in das Eigentum der BVG übergehen und damit langfristig gesichert werden soll. Der Antrag wurde in den Verkehrsausschuss und den Hauptausschuss überwiesen und könnte dort im Dezember aufgerufen werden. Zur Begründung verweisen die Christdemokraten auf die bessere Verkehrsverbindung zwischen Hellersdorf und Marzahn und den touristischen Wert der Seilbahn.

Nur die AfD will die Seilbahn aus Marzahn verbannen. Ihre Abgeordnete Kristin Brinker hatte kürzlich im Abgeordnetenhaus den Vorschlag unterbreitet, die Seilbahn in Marzahn ab- und sie auf dem Teufelsberg im Grunewald wieder aufzubauen. Damit will sie den Teufelsberg für Besucher attraktiver machen. Aus Sicht der AfD, so legte Brinker in einem Interview nach, dürfe es „auf keinen Fall dazu kommen“, dass der Steuerzahler für eventuelle Verluste der Seilbahn in Marzahn zahlen solle.

Wer Seilbahn fahren will, sollte sich übrigens beeilen. Ab Montag wird der Betrieb wegen Wartungsarbeiten bis zum 7. Dezember eingestellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen