Film zur Homosexualität im Profi-Fußball: Verbotene Liebe
Der Schweizer Spielfilm „Mario“ handelt von zwei schwulen Fußballern. Er ist zwar Fiktion, aber trotzdem nah an der Realität.
Der Neue wird kritisch gemustert. Die Fußballspieler des U21-Teams der Young Boys Bern bekommen Verstärkung von Leon Saldo (Aaron Altaras) aus Hannover. Vor allem einem könnte er gefährlich werden: Mario Lüthi (Max Hubacher) fürchtet um seinen Stammplatz als Stürmer. Dabei steht er doch kurz vor dem Sprung in die Profimannschaft des Clubs. Richtig gefährlich wird es aber erst, als sich die beiden jungen Fußballer ineinander verlieben
Im Schweizer Spielfilm „Mario“ bedroht die Liebe die Karrieren der beiden Spieler von Anfang an. Obwohl sich Mario und Leon bemühen, ihre Beziehung zu verheimlichen, verbreitet sich die Neuigkeit, sie werden daraufhin von ihren Mitspielern gehänselt, gemobbt, denunziert. Im Krisengespräch geben ihre Manager die künftige Strategie vor: „Weiterhin abstreiten! Sie sollten sich mit Frauen in der Öffentlichkeit zeigen.“ Leon ist entsetzt.
Regisseur Marcel Gisler zeigt die ganze Härte der Diskriminierungen, die Schwule im Fußball erleiden müssen. Dazu gehört neben den Beschimpfungen auch das Verleugnen der Gefühle. Max Hubacher – für „Mario“ ausgezeichnet mit dem Schweizer Filmpreis als bester Schauspieler – stellt überzeugend den Kampf dar, den er in seinem Inneren austrägt. Profikarriere? Oder Liebe? Beides geht offenbar nicht.
„Marios“ Fiktion ist Realität
Einer, der dieses existenzielle Dilemma auch erlebt hat, ist Marcus Urban. Er spielte Anfang der 90er Jahre für den FC Rot-Weiß Erfurt und beendete seine Karriere, weil er die Demütigungen aufgrund seiner Homosexualität nicht mehr ausgehalten hat. „Es ist eine einzige Quälerei“, sagt er. „Man will weiterkommen und dann sitzt man mit Leuten im Anzug an einem Tisch, die einem sagen, du darfst nicht der sein, der du bist.“
Marcus Urban arbeitet heute als Berater und ist Vorstand des Vereins für Vielfalt in Sport und Gesellschaft. In seinem Buch „Versteckspieler“ berichtete er 2008 von den Leiden eines homosexuellen Fußballers. Mit „Mario“-Regisseur Marcel Gisler hat er einige beratende Gespräche geführt.
Marcus Urban
Viele Situationen aus dem Spielfilm kenne er aus seiner aktiven Fußballzeit leider allzu gut. „Es zwängt sich alles zusammen im Bauch und im Herzen, wenn man das sieht“, sagt er.„Ich musste auch die Konventionen der Fußballwelt erfüllen. Bis ich es nicht mehr ausgehalten habe.“ Die Fiktion in „Mario“ ist Realität – auch wenn Figuren wie die Manager und der megaehrgeizige Vater etwas schablonenhaft angelegt wurden.
Ein weiterer kleiner Schritt
Seit dem Outing von Thomas Hitzlsperger im Jahr 2014 – für das er viel Anerkennung bekommen hat –, hat sich kaum etwas verändert. Vereine, Verbände und Fanclubs geben sich zwar gerne aufgeklärter, doch das Versteckspiel ist einfach noch professioneller geworden. „Lasst es doch endlich mal raus, hoch den Ballon, was soll das Ganze eigentlich?“, fragt Marcus Urban.
In „Mario“ jedenfalls wird kein Märchen erzählt, obwohl die Liebe von Mario und Leon zum Teil etwas Zauberhaftes hat. In einer Szene sitzen die beiden an einem rauschenden Fluss, völlig allein und unbeobachtet. Diese symbolträchtige Idylle ist der krasse Gegensatz zur beinharten Fußballwelt, in der Zärtlichkeit unter Männern immer noch verpönt ist. Und doch kam wiederum aus genau dieser Welt Unterstützung für den Film, nämlich von den Young Boys Bern und vom FC St. Pauli.
„Mario“. Regie: Marcel Gisler. Mit Max Hubacher, Aaron Altaras u. a. Schweiz 2018, 119 Min. Seit dem 18. Oktober in deutschen Kinos.
Das ist beachtlich. Ein Spielfilm wie „Mario“ wird sicher nicht dafür sorgen, dass sich schwule Fußballer schlagartig outen. Aber er trägt bei zur Toleranz und Akzeptanz. Und er ist vielleicht ein weiterer kleiner Schritt auf einem langen Weg zur Normalität.
Fairplay fürs freie Netz
Auf taz.de finden Sie unabhängigen Journalismus – für Politik, Kultur, Gesellschaft und eben auch für den Sport. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Inhalte auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich leisten kann, darf gerne einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
DFB-Team erreicht Halbfinale
Die wahnsinnige Spielwende der Wück-Elf
Debatte um Mindestlohn
Wer beißt in den sauren Apfel?
Wasserknappheit in Deutschland
Wasser sparen ist angesagt
Protest gegen Alice Weidel
Was der AfD wirklich nützt
Protest beim Sommerinterview mit Weidel
Ein Hoch auf den Zwischenruf
Merz erntet Kritik aus eigenen Reihen
Hat die CDU doch ein soziales Gewissen?