Gründung der Queer Media Society: „Es geht darum, wie wir vorkommen“
Queere Journalist*innen und Filmschaffende haben ein Netzwerk gegründet. Sie wollen, dass LGBT in den Medien öfter abgebildet werden.
Regisseur Kai Pieck hatte die Idee, LGBTI aus allen Medienbereichen zusammen zu bringen. Pieck zitiert eine Umfrage der Forschungsgruppe „Dalia“, wonach sich in Deutschland aktuell 7,4 Prozent der Menschen als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans identifizieren. „Das bilden unsere Medien in keiner Weise ab“, sagt Pieck. Er will über eine Queer-Quote diskutieren. Mit dieser könnten Medienmacher*innen verpflichtet werden, queere Themen oder Charaktere in 7,4 Prozent der Filme, Bücher oder Zeitungsartikel vorkommen zu lassen.
„Es geht nicht nur darum, ob wir vorkommen. Es muss darum gehen, wie“, sagte Johannes Kram, Autor des Nollendorfblogs, in seinem Vortrag. Bislang werde bei Filmproduktionen und Medienberichten zu oft davon ausgegangen, dass sich Heterosexuelle nicht mit queeren Charakteren identifizieren könnten. Da queere Menschen in der Minderheit sind, würden sie im deutschen Fernsehen oft nicht als Identifikationsfiguren in Betracht kommen. Es sollte aber möglich sein, nicht nur Identifikationsfiguren abzubilden, sondern interessante Figuren, findet Kram. „Doch dafür müssten wir in Deutschland anfangen, mehr Gefühl dafür zu entwickeln, dass Diversität eine Bereicherung ist und nicht etwas, das man aushalten muss.“
Noch wichtiger sei zunächst, dass mehr queere Medienschaffende geoutet seien. Laut der Studie „Out im Office“ aus dem Jahr 2017 zufolge gehen nur ein Drittel aller LGTBI-Beschäftigten am Arbeitsplatz offen mit ihrer Identität um. Auch für Homosexuelle in den Medien sei das Coming-Out weiterhin ein großes Thema, sagte Kram. Insbesondere für Schauspieler*innen sei das Coming-Out eine Belastungsprobe für die Karriere. Trotzdem sei der Schritt wichtig.
Schwieriges Coming-Out
„Niemand sollte gegen seinen Willen geoutet werden“, sagte Kram. „Und wir können nicht verlangen, dass sich jemand outet. Aber erwarten können wir es schon.“ Nico Hofmann, Regisseur und Geschäftsführer der UFA, sprach darüber, wie schwierig sein Coming Out gewesen sei und welche Diskussionen dies in der eigenen Familie ausgelöst habe.
Einzelne Medienschaffende aus dem Publikum diskutierten heftig darüber, ob sich queere Schauspieler*innen outen sollen. Gehen diese mit ihrer Identität an die Öffentlichkeit, würden sie oft nicht mehr für heterosexuelle Rollen im Film bekommen. „Dabei ist es genau der Job eines Schauspielers, jemanden zu spielen, der er nicht ist“, sagte Kerstin Polte. „Lasst uns endlich aussprechen, dass in der Branche abfällig über Homosexuelle geredet wird. Das ist ein riesiges Problem“, sagte Johannes Kram.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sichtbarkeit von lesbische Frauen in den Medien. „Viele Journalist*innen, die sich zum Beispiel mit Regenbogenfamilien befassen, porträtieren häufiger Familien mit zwei Vätern“, sagte Ulle Schauws, queerpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Dass über neunzig Prozent der Regenbogenfamilien aus zwei Müttern, aus Lesben mit Kindern bestehen, wissen viele daher nicht.“
Die Gründung der „Queer Media Society“ ist der aktuell größte Anlauf für eine queere Journalistenorganisation. Der Bund Lesbisch-Schwuler JournalistInnen e.V. hat zwar laut Webseite über 200 Mitglieder und vergibt jährlich den Felix-Rexhausen-Preis, ist aber nicht mehr so aktiv, dass Verein die queere Journalisten-Community erreichen würde. Deswegen nun die Neugründung in Form eines Netzwerks.
Ob daraus nun ein Verein entsteht, sei noch unklar, sagte Initiator Pieck. In den kommenden Monaten wollen sich Mitglieder in branchenspezifischen Gruppen treffen. Geplant seien einzelne Sektionen wie Journalismus, Werbung, Literatur und Film/Fernsehen, in denen die queeren Kolleg*innen gemeinsam Forderungen ausarbeiten.
Hinweis: Der Autor ist Unterstützer der Queer Media Society.
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