: Skepsis nach Riads Eingeständnis
Die neue Version von dem Mord an Jamal Kashoggi kaufen viele Staaten den Saudis nicht ab
Von Inga Rogg, Istanbul
Die Türkei will sich mit der saudischen Erklärung, wonach Journalist Jamal Kashoggi während eines Handgemenges im königlichen Konsulat ums Leben gekommen ist, nicht zufriedengeben. Die Türkei werde niemals zulassen, dass das „scheußliche, grauenerregende, unmenschliche“ Verbrechen vertuscht werde, erklärte Numan Kurtulmuş, Vizechef der Regierungspartei AKP, am Samstag.
Ankara wirft Riad vor, Kashoggi am 2. Oktober im Konsulat brutal ermordet und seine Leiche zerstückelt zu haben. Nachdem das Königshaus zweieinhalb Wochen lang bestritten hatte, etwas mit dem Verschwinden des prominenten Journalisten zu tun haben, bestätigte Riad am Samstagmorgen seinen Tod. Erste Ermittlungen hätten ergeben, dass Kashoggi während eines Handgemenges starb, teilte der saudische Oberstaatsanwalt mit. Später hieß es aus dem Umfeld des Hofs, er sei stranguliert worden.
König Salman feuerte fünf hochrangige Beamte und ordnete eine Reorganisation des Geheimdienstes an, 18 Verdächtige wurden festgenommen. Den mächtigen Kronprinz tastete er aber zunächst nicht an.
Auch die neuen Erklärungen aus Riad wurden international in Zweifel gezogen. Die vorliegenden Angaben zu dem Hergang im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul seien „nicht ausreichend“, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Sie verurteilten die Tötung des Journalisten „in aller Schärfe“. Von Saudi-Arabien erwarteten sie „Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergründe“. Die vorliegenden Angaben zu den Ereignissen im Konsulat seien „nicht ausreichend“.
Maas forderte am Sonntag im Onlinedienst Twitter „eine geschlossene Antwort“ der Staatengemeinschaft. „Mit Frankreich und Großbritannien, der EU und den G7-Staaten sind wir in enger Abstimmung.“
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte derweil „umfassende, glaubwürdige und transparente Ermittlungen“ zu Kashoggis Tod. Die EU bestehe darauf, dass „alle dafür Verantwortlichen uneingeschränkt zur Rechenschaft“ gezogen werden.
Auch Großbritannien äußerte Zweifel an der offiziellen Version. „Ich denke nicht, dass sie glaubwürdig ist“, sagte Brexit-Minister Dominic Raab der BBC.
Aus Kanada hieß es, der Bericht aus Saudi-Arabien sei widersprüchlich und nicht glaubhaft. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian verlangte eine „vollständige und zügige Untersuchung“. Zahlreiche Fragen seien unbeantwortet.
Rückendeckung erhielt Saudi-Arabien von seinen Verbündeten in der Region – den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Oman sowie Ägypten.
Türkische Ermittler hatten in den vergangenen Tagen das Konsulat und die Residenz des Konsuls in Istanbul untersucht. Nach der Erklärung aus Riad versprach Ankara eine vollständige Klärung von Kashoggis Tod. „Die Türkei wird alles enthüllen, was hier vorgefallen ist“, sagte der Sprecher der Regierungspartei AKP, Ömer Celik. Die türkischen Behörden verhörten einem Bericht zufolge am Sonntag weitere Zeugen, um den Tod des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi aufzuklären. Fünfundzwanzig Personen seien zur Aussage vorgeladen worden, berichtete der Nachrichtensender NTV am Sonntag.
Kashoggi, dessen Leiche bislang nicht gefunden wurde, war am 2. Oktober in das Konsulat gegangen, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Türkische und US-Medien hatten berichtet, der Journalist sei von einem saudi-arabischen Killerkommando in dem Konsulat gefoltert und ermordet worden. Sie beriefen sich auf Tonaufnahmen, die türkischen Sicherheitskräften vorliegen sollen. (mit dpa, afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen