piwik no script img

„Ich esse gerne Eiscreme“

Das Ballett „Aschenputtel“ der 13-jährigen Komponistin Alma Deutscher wird im Rahmen des israelisch-deutschen ID-Festivals im Radialsystem aufgeführt. Ein Gespräch über imaginäre Komponistenidentitäten

Foto: Patrick Härlimann

Interview Tom Mustroph

taz: Alma Deutscher, wie schwer ist es, eine Oper in ein Ballett zu verwandeln?

Alma Deutscher: Ich hatte zuerst niemals gedacht, dass „Aschenputtel“ ein Ballett sein würde. Aber ich hatte schon einige Tänze aufgeschrieben, als ich an der Oper arbeitete. Ich habe damals schon zur Musik getanzt. Es war dann zwar einige Arbeit, das als Ballett auszuführen, aber doch nicht zu viel.

Und haben Sie dann auch dazu getanzt? Sie tanzen ja auch selbst Ballett.

Ja, ich habe die ganze Zeit getanzt. Ich liebe das. Ich tanze mit meiner Schwester, mit meinen Freunden. Oft tanzen wir zusammen zu meiner Musik.

Werden Sie dann auch als Tänzerin in Berlin auftreten?

Nein. Ich tanze nur zu Hause, aber ich freue mich schon sehr auf die Vorstellung in Berlin. Ich finde es auch toll, dass bei dieser Aufführung Kinder tanzen (die Kinder Ballett Kompagnie, Anm. TM). Ich möchte immer Kinder und junge Leute für klassische Musik begeistern. Ich weiß, sie arbeiten richtig hart, vier Stunden am Tag. Und jetzt bin ich gespannt, wie sie tanzen und ob es ihnen Freude bereitet.

Ihr „Aschenputtel“ wird mit dem „Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky kombiniert – eine gute Idee? Und was halten Sie von Tschaikowsky?

Ich liebe den „Nussknacker“, und ich liebe Tschaikowsky, besonders seine Ballette. Er macht einfach so tolle Harmonien. Ich denke, das ist eine großartige Kombination.

Folgen Sie beim Komponieren manchmal Tschaikowsky, oder versuchen Sie, zu große Nähe zu vermeiden? Oder verlassen Sie sich einfach auf Ihre Vorstellungskraft?

Ich folge immer meiner eigenen Imagination. Dabei bin ich natürlich inspiriert von vielen Quellen. Aber ich versuche, bei mir zu bleiben.

Können Sie Ihren Kompositionsprozess beschreiben? Ich habe gelesen, Sie schwingen dabei gern ein Springseil und gehen oft in ein Baumhaus. Ist das noch immer so?

Ja, ich habe auch jetzt das Springseil bei mir und ich schwinge es, während wir miteinander telefonieren. In England hatte ich mein Baumhaus, da war ich oft und habe dort oft komponiert.

Wenn die Melodien dann kommen, singen Sie sie und nehmen das auf? Oder schreiben Sie sie eher auf? Wie verläuft der Notationsprozess?

Das ist ganz unterschiedlich. Wenn ich mein Notebook bei mir habe, schreibe ich das dort sofort auf. Aber einmal hatte ich eine Melodie im Zug. Mich hat da die Landschaft, die vielen Seen ringsum, inspiriert. Ich habe die Musik dann gleich mit dem iPhone meines Vaters aufgenommen. Ich habe die Aufnahme immer noch und kann mich da die Melodie singen hören und auch die Geräusche des Zuges. Vor ein paar Jahren kam eine Melodie auch mitten in der Nacht zu mir, und da habe ich sie eben mitten in der Nacht ins Notebook geschrieben. Meistens nutze ich das Notebook, und da stehen jede Menge noch nicht benutzte Melodien drin.

Wie viel macht Talent aus und wie hart ist die Arbeit danach, die einmal gefundenen Melodien zu verfeinern?

Das ist der schwerste Teil des Komponierens. Die Melodie zu bekommen, das ist noch relativ einfach. Die kommen einfach zu mir. Aber dann muss man sie entwickeln, die Umgebung bauen, sie auf verschiedene Arten erscheinen lassen, Variationen kreieren.

Ich habe gehört, dass Sie eine Art Fantasieland haben namens Transsylvanien, wo viele Komponisten und Musiker leben. Halten Sie sich weiterhin dort auf?

Ja, ich habe dieses imaginäre Land. Und dort leben viele imaginäre Komponisten. Es gibt auch eine Musikschule dort. Der berühmteste Komponist ist Antonin Yellowsink. Er hat ganz viele Melodien. Und manchmal klaue ich eine von ihm.

Auch für „Aschenputtel“?

Die Hauptmelodie von „Aschenputtel“, das traurige Ballett, in dem sie überlegt, wie der Prinz zu ihr gelangen kann, das ist von ihm, von meinem imaginären Komponisten Antonin Yellowsink.

Ich habe auch gehört, dass die Hauptstadt von Transsylvanien Berlin ziemlich ähnlich sieht. Stimmt das?

Ja, es ist wie Berlin, mit all den Straßencafés. Es ist auch erfüllt von wunderbarer Musik.

Man will glatt vom echten Berlin in Ihr imaginäres. In der Welt jenseits von Transsylvanien werden Sie häufig mit Mozart verglichen. Das nervt inzwischen, stimmt ’s?

Ja, das passiert immer wieder. Ich weiß, die Leute meinen es nett. Aber ich will nicht wie Mozart sein. Ich will Alma sein und meine eigenen Komposi­tionen schreiben.

Aber über Ihrem Klavier, so wird erzählt, hängt ein Bild von Mozarts Schwester Nannerl. Was verbindet Sie mit ihr?

Ich mag sie sehr. Ich habe viel über sie gelesen, als ich jünger war. Sie hat auch Musik geschrieben. Aber es wurde ihr nicht erlaubt, sich als Komponistin zu entwickeln, weil sie eine Frau war. Und das hat mich so wütend gemacht.

Da sind Sie also glücklich darüber, 250 Jahre später geboren worden zu sein und eben komponieren zu dürfen?

Ja, genau. Darüber bin ich sehr froh.

Alma ­Deutscher gilt als Wunderkind. In die Tasten eines Klaviers griff sie bereits mit zwei Jahren, die erste Oper komponierte sie mit sieben. Simon Rattle und Anne-Sophie Mutter loben überschwänglich ihre musi­kalischen Qualitäten

Auch Ihr Aschenputtel ist ja anders als im Märchen. Nicht ein schönes Mädchen, das schlecht behandelt wird und dann allein wegen ihrer Schönheit von einem Prinzen erlöst wird, sondern eine Künstlerin, eine Komponistin, die weiß, was sie tut, und eben wegen ihres Werks geschätzt wird.

Ja, richtig. Sie ist nicht einfach nur ein hübsches Mädchen. Sie ist talentiert und sie ist willensstark. Der Prinz findet sie nicht, weil ihr Fuß so klein ist und in den Schuh passt, sondern weil sie ganz wunderbare Musik komponiert hat zu einem seiner Gedichte.

Schon als ganz junges Kind waren Sie häufig in der Welt der Erwachsenen, haben in Opernhäusern und Konzerthallen gespielt, Interviews gegeben. Wie sehen Sie die Welt der Erwachsenen? Und vermissen Sie die Welt der Kinder?

Ich denke, ich bin ein ganz normales Kind. Ich mag Eiscreme, ich gehe gern schwimmen, solche Sachen wie Interviews-Führen werden auch immer normaler für mich. Und was die Konzerte anbetrifft: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, keine Musik zu machen oder nicht mehr zu komponieren.

Inzwischen gehört sogar das Parkett der Politik zu Ihrer Welt. Sie sind dieses Jahr vor dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Wien aufgetreten und haben für Putin ein kleines Musikstück geschrieben. Wie war dieser Moment?

Ich habe eine Fantasie gemacht. Ich nahm dazu eine berühmte russische Melodie und ich habe sie mit österreichischem Walzer zu verbinden gesucht. Das war richtig kompliziert, denn die russische Melodie ist sehr traurig, während die österreichische sehr fröhlich ist. Das habe ich dann gespielt.

Was denken Sie: Können Künstler, die vor Politikern auftreten, diese beeinflussen und auch die Politik ändern?

Wie bitte?

(längere Pause, dann schaltet sich Almas Vater Guy Deutscher ins Gespräch ein:)

Auf diese Antwort müssen wir warten, bis Alma ein bisschen älter ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen