Kolumne Nach Geburt: Kinder sollen nicht schön sein!

Menschen machen Eltern bizarre Komplimente zum Aussehen ihrer Kinder. Machen Sie es besser – mit diesem einfachen Trick.

Ein Kind zieht eine Grimasse

Außenwirkung: völlig wurscht Foto: unsplash/Rainer Ridao

Na, die Kleine wird aber noch viele Herzen brechen.“ Oder: „Oh, die wird aber so manchem den Kopf verdrehen.“

Sie lasen: Komplimente aus der Hölle für Kinder.

Ich hab beide schon gehört. Und mir jedes Mal gedacht: Was für ein bizarrer Quatsch. Warum sollte es ein erstrebenswertes Lebensziel sein, möglichst viele Herzen zu brechen? Wieso sollte man vielen Männern oder Frauen den Kopf verdrehen wollen, wenn man nicht Ringer ist oder mit illegalen Kämpfen sein Geld verdient (was dann allerdings wieder andere Fragen aufwirft)? Und warum spukt irgendwem überhaupt solch sexualisierte Konnotation im Kopf herum, wenn er oder sie ein kleines Kind sieht? Die wird aber so manchen scharf machen und dann … zwinker, zwinker … du weißt schon. Oder was?

Selbst wenn wir mal annehmen, dass der Satz einfach nur einer aus der Bausatzgrabbelkiste ist, um auszudrücken, dass das Kind hübsch ist – denn viel anderes Lob kann man ja nicht verteilen an ein Wesen, das nicht sprechen kann, rumliegt, vielleicht ein bisschen krabbelt oder herumtapert, frisst, scheißt, schläft, Ende –, warum sagt man dann nicht einfach „Oh, wie hübsch“? Reicht doch. Lob für das Aussehen des eigenen Babys oder Kleinkinds nimmt eh kein Elternteil ernst.

Und: Warum überhaupt aufs Aussehen abzielen? Ich verstehe auch nicht, warum so viele Eltern es toll finden, ihre Fünf- oder Sechsjährigen zu kleiden wie Minierwachsene. Die haben dann coole Sneaker an und Lederjacken und Jeans, die nicht vom Spielen, sondern vom Kinderarbeiter in Bangladesch zerschlissen wurden, und die Kleinen sehen aus, als seien sie gerade aus einem H & M-Katalog gefallen.

Gummistiefel zur Unterhose

Kinder sollen nicht schön sein. Kinder sollen Gummistiefel zu Unterhose tragen. Darüber vielleicht noch ein Unterhemd oder irgendwas anderes, was man sich später nicht mehr traut anzuziehen, weil man eben kein Kind mehr ist, sondern sich und die eigene Wirkung ständig hinterfragt.

Solange es geht, sollen Kinder einfach Kinder sein. Diese Welt der Erwachsenen mit den Fragen, was man anzieht und wem man den Kopf verdreht und dieser ganze Quatsch, das kommt doch alles noch früh genug. Ich beneide Kinder darum, dass sie mit Jungs oder Mädels spielen, ohne sich zu fragen, wie sie auf den anderen oder die andere wirken.

Wenn dann ein Großer oder eine Große kommt und fragt „Na, wollt ihr beide mal heiraten?“, würde ich am liebsten links und rechts ein paar ins Backpfeifengesicht verteilen. Tu ich natürlich nicht. Ich bin schließlich ein Mann des Friedens, der Kofi Annan der taz. Quasi.

Wenn Sie doch meinen, ein Kleinkind irgendwie loben zu müssen, ein Tipp: Lassen Sie es. Die Kinder verstehen oder glauben es nicht. Und die Eltern sind weniger gerührt, als Sie denken. Machen Sie sich lieber ein bisschen zum Affen, das gefällt Kindern. Meistens. Und wenn Sie das Kind unterhalten, haben die anderen frei. Das gefällt den Eltern.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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