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dvdeskDem Realen treu

Stronger“ ist ein okayer Film. Die Welt hat ihn nicht gebraucht, aber es muss sich auch keiner der Beteiligten schämen. Er erzählt die wahre und nicht zuletzt deshalb bewegende Geschichte Jeff Baumans, der als Zuschauer beim Anschlag auf den Boston Marathon im Jahr 2013 beide Beine verlor und doch die Frau fürs Leben gewann, die er im Ziel in Empfang nehmen wollte. Ein Jahr nach dem Anschlag werden sie Eltern.

So will es der Film, der dem realen Geschehen treu folgt und das Auf und Ab von Moral, Lebensmut, Liebe und manche Schwäche des Helden alles andere als verschweigt. Allerdings haben noch vor Drehbeginn die beiden im richtigen Leben die Scheidung beantragt. Davon ist im Abspann lieber nicht die Rede.

Ungefähr da liegt die Grenze dessen, was im Rahmen der Konventionen so geht, denen „Stronger“ mit redlichen Absichten folgt. Die Per-aspera-ad-astra-Dramaturgie lässt keine Härte ohne Trostmoment, ohne dass doch der Trost die Härte ganz aufwiegen muss. Das größere, exemplarische Ganze der Jeff-Bauman-Story wird in kleinen Nebenstorys wiederholt, oder sentimentalisiert, oder vertieft, etwa jener vom Vater, dessen Sohn im Kampf für die USA starb, worauf sich dessen Bruder das Leben nahm. Dieser Vater ist der Mann, der Bauman als Ersthelfer im Ziel zur Seite stand, und der ins eigene Leben wieder Sinn zu bringen versucht, indem er vor Soldaten über posttraumatische Störungen spricht.

Das ist schon gut

Mehr als okay sind Jake Gyllenhaal und Tatia­na Maslany. Gyllenhaal, der sich in den realen Bauman hineinmethodactet, ohne einen darstellerischen Hochleistungssport à la Daniel Day-Lewis draus zu machen. Wie er sich in den Rollstuhl vornüber krümmt, starr das Gesicht, wie er mit jeder Bewegung die Grenzen der Freiheit dieses Körpers markiert, ohne es die Bewegungen und Gesten überdeutlich sagen zu lassen, das ist schon gut. Und Maslany als Erin, die es als Freundin nicht leicht hat, vor dem Anschlag nicht, und hinterher schon gleich gar nicht, die sich zusammenreißt, mal die Nerven verliert, dann die Contenance wiedergewinnt: In den Grenzen des mittleren Realismus, um den es hier geht, macht sie das toll. (Man wünscht sich trotzdem die Virtuosin Maslany zurück, die in der Sci-Fi-Serie „Orphan Black“ mehr als ein halbes Dutzend verschiedene Charaktere hinreißend differenziert hat.)

Dass „Stronger“ okay ist, ist auch dem Regisseur David Gordon Green zu verdanken. Er ist kein ganz großer Meister, macht aber verlässlich keinen Scheiß. Mit seinem Debüt „George Washington“ und zwei, drei weiteren Filmen mit Kunst-Ambition hatte er zu Hoffnungen auf einen amerikanischen Auteur mit eigener Stimme Anlass gegeben, die er dann auf immer interessante Weise enttäuschte. Mit Lust begab er sich ins Judd-Apatow-Umfeld und das damit verbundene Bro-Comedy-Universum, verhob sich mit der teuren Fantasy-Komödie „Your Highness“ und landete mit der reduzierten Jungs-Komödie „Prince Avalanche“ mit beiden Beinen wieder auf dem Boden (den Silbernen Bären bei der Berlinale gab es obendrauf).

Green ist ein Mann, der vieles kann. „Stronger“ beweist, dass er auch das Erbauliche ohne Peinlichkeit hinkriegt. Im Oktober kommt sein neuer Film ins Kino, das auf den Festivals sehr positiv aufgenommene Remake von John Carpenters „Halloween“. Was immer er dann macht, wird sicher okay sein. Ekkehard Knörer

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