: Meer der Tränen für Bolivien
Chile muss nicht mit Bolivien über einen eigene Zugang zum Pazifik verhandeln, entschied der IGH
Von Bernd Pickert
Schwere Niederlage für Boliviens Präsident Evo Morales: Mit 12 zu 3 Richterstimmen hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag am Montag Boliviens Anliegen zurückgewiesen, Chile zu Verhandlungen über einen souveränen Zugang Boliviens zum Pazifischen Ozean zu verpflichten.
Hintergrund ist ein über 100 Jahre alter Streit. Als Ergebnis des Salpeterkriegs zwischen Peru und Bolivien einerseits und Chile andererseits hatte Bolivien 1879 rund 120.000 Quadratkilometer seines Territoriums und 400 Kilometer Küste an Chile verloren. Damit wurde Bolivien neben Paraguay zum einzigen Staat Lateinamerikas ohne Meereszugang. Im Friedensvertrag von 1904 wurden die neuen Grenzen festgehalten. Chile garantierte Bolivien freien Transit durch sein Territorium und die Abwicklung von Handel über die nunmehr chilenischen Häfen von Arica und Antofagasta. Bolivien unterhält eigene Zollbehörden im Hafen von Arica, über den ein Großteil des bolivianischen Handels abgewickelt wird.
Bolivien blieb allerdings bei der Forderung nach einem eigenen und souveränen Zugang zum Pazifischen Ozean. Konkret fordert Bolivien einen rund zehn Kilometer breiten Korridor durch chilenisches Territorium und ein Stück Küste, um dort einen eigenen Hafen zu haben.
Im Verfahren allerdings, das Boliviens Präsident Evo Morales 2013 vor dem IGH anstrengte, verlangte Bolivien keine Gebietsentscheidung, sondern nur, dass der IGH Chile zu Verhandlungen mit dem Ziel eines souveränen bolivianischen Meereszugangs verpflichtet.
Dafür sahen die Richter, die sich seit den Abschlussplädoyers im März Zeit für die Urteilsfindung genommen hatten, keine Grundlage. In der Urteilsverkündung ging der Vorsitzende Richter Abdulqawi Ahmed Yusuf Stück für Stück Boliviens Argumente durch. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich weder aus Chiles Erklärungen der Dialogbereitschaft aus mehreren Jahrzehnten noch aus entsprechenden gemeinsamen Positionspapieren beider Regierungen eine rechtliche Verpflichtung zur Verhandlung ableiten ließe. Für den extra nach Den Haag gereisten Morales und die Tausenden Bolivianer*innen, die die Urteilsverkündung verfolgten, ist das Urteil eine Enttäuschung.
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