Keine Angst vor Alphamännern

Kanadas Außenministerin Freeland soll in Washington den Nafta-Vertrag retten. Donald Trump wird es ihr schwer machen. Doch die Handelsexpertin hat schon andere Staatschefs in die Schranken gewiesen

Kanadas Politstar Chrystia Freeland Foto: reuters

Aus Vancouver Jörg Michel

Chrystia Freeland lässt sich von mächtigen Männern nicht beeindrucken. Das musste auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman erfahren. Nachdem die kanadische Außenministerin die Menschenrechtslage im Königreich per Twitter angeprangert hatte, fühlte sich der Monarch so provoziert, dass er Kanada mit einer Kaskade von Sanktionen überzog. Angelegt hat sich Freeland auch mit Wladimir Putin. Sie kritisierte die Krim-Annexion als völkerrechtswidrig und steht seitdem auf einer Sanktionsliste von Personen, die nicht mehr nach Russland einreisen dürfen.

Freeland macht es auch Donald Trump nicht leicht. Glaubt man US-Medien, dann kann der Präsident die Kanadierin nicht ausstehen, das Gleiche gilt für Trumps Handelsbeauftragten Robert Lighthizer. Manche Beobachter glauben, dass die persönliche Abneigung einer der Gründe ist, weswegen die Amerikaner Kanada bei den jüngsten Nafta-Verhandlungen nicht dabeihaben wollten. Über ein Jahr lang hatte Freeland zuvor mit den USA und Mexiko über die von Trump gewünschte Neufassung des Handelsvertrags gesprochen, bis sie sich diesen Sommer plötzlich in der Zuschauerrolle wiederfand.

Sollte die Ausladung als Demütigung gedacht gewesen sein, dann hat sich die 50-Jährige davon nichts anmerken lassen. Immer wieder hatte Freeland die Parallelgespräche der zwei Nafta-Partner öffentlich als nützlich und nötig bezeichnet.

Freeland behielt auch die Fasson, als Trump am Montag eine Einigung mit Mexiko verkündete und sie ihre Europareise Knall auf Fall abbrechen musste, um in Washington die kanadischen Interessen zu wahren. Seit Dienstag ist sie nun in der US-Hauptstadt und steht dort vor einer der größten Herausforderungen ihrer politischen Karriere: Als Nafta-Beauftragte muss Freeland im Auftrag von Premierminister Justin Trudeau verhindern, dass Kanada bei den Nafta-Verhandlungen von Trump gänzlich zur Seite geschoben wird. Kanada wickelt drei Viertel seines Außenhandels mit den USA ab, das Abkommen ist für das Land überlebensnotwendig.

Zum Auftakt am Dienstagabend versuchte Freeland, Zuversicht zu verbreiten: Mexiko habe Kompromissbereitschaft bei den Mindestlöhnen im Automobilbereich gezeigt. „Das ebnet den Weg für substanzielle und, wie ich hoffe, produktive Diskussionen, die wir mit den Vereinigten Staaten in dieser Woche haben werden“, so die Außenministerin. Als Streitpunkt in den Verhandlungen könnte sich vor allem die Agrarwirtschaft herausstellen. Kanada schützt seine Milchbauern derzeit mit hohen Zöllen.

Doch wenn die Kanadier jemandem einen Erfolg zutrauen, dann ihrer Außenministerin. Das A bis Z der Handelspolitik und die Nafta-Details kennt sie wahrscheinlich so gut wie kaum ein anderer Politiker in Ottawa oder Washington. Das hat mit ihren früheren Jobs zu tun: Als Wirtschaftsjournalistin arbeitete sie für renommierte Blätter wie die Financial Times oder die Washington Post und schrieb ein Buch über die Herrschaft der Geldeliten. Bei einer Lesung hatte Trudeau zugehört und Freeland danach für die Liberale Partei angeworben.

Nach ihrem Eintritt in die Regierung 2015 war Freeland für das Handelsressort zuständig, wo sie das Ceta-Abkommen mit der EU umsetzte, bevor sie 2017 zur Außenministerin aufstieg. Die dreifache Mutter gilt als Überzeugungstäterin, die hartnäckig für Themen wie Menschenrechte und Vielfalt eintritt. Wohl auch ein Grund, warum Trump sie ungern in seiner Nähe hat. Nun aber ist Freeland mit an Bord und wird sich nicht so schnell vertreiben lassen.