Pro und Contra zur Förderung von E-Sport: Soll Daddeln Sport sein?

Der schleswig-holsteinische Landtag hat beschlossen, Computerspiele unter dem Label E-Sport als Sport zu begreifen und zu fördern. Ist das richtig?

Computerspieler*innen sitzen hinter Monitoren.

Spielen sie noch oder sporteln sie schon? Spieler*innen auf dem E-Sport-Festival „DreamHack“ Foto: dpa

Einstimmig hat der schleswig-holsteinische Landtag beschlossen, Video- und Computerspielen unter dem Label E-Sport zu fördern. Die Landesregierung wird aufgefordert, an der Fachhochschule Westküste eine Akademie für Computerspielen zu errichten. Gemeinsam mit den Kommunen sollen Konzepte für die Integration des E-Sports in die Jugendarbeit und in den Schulunterricht erarbeitet werden. Zudem soll das Land sich im Bund für die Anerkennung von Video-Gaming und Computerspielen als „gemeinnützig“ einsetzen und so dafür sorgen, dass E-Sport entsprechende Privilegien in der Abgabenordnung erhält.

Ist es richtig, Computerspiele als Sport zu begreifen und zu fördern?

Ja, sagt Yasemin Fusco

Natürlich sind Computerspiele Sport. Zwar gibt es viele Gründe, Computerspiele aus den Zimmern der Jugendlichen zu verbannen. Aber die Argumente dafür sind oft nicht haltbar: Zu brutal sollen die Games sein, bloße Zeitverschwendung oder keinen großen Mehrwert haben. Der Umgang mit elektronischem Sport ist schlicht altmodisch, wenn man sagt, E-Sport sei keine „richtige“ Sportart, und Schach soll Sport sein? Bullshit.

Was die Welt insgesamt und der Sport im Allgemeinen braucht, sind mehr Zocker, die sich in Sportvereinen organisieren. Ja, organisiert euch! Denn es gibt tatsächlich Gemeinsamkeiten mit dem analogen Sport. Jeder, der einmal online mit anderen Zockern unterschiedlichen Alters das eigene Gebiet gegen das gegnerische Team verteidigt hat, weiß, dass E-Sport sehr viel besser als sein Ruf ist.

Das Narrativ des faulen und Energy Drinks saufenden Nerds stützt sich auf Männer ab Mitte vierzig, die sich vor vielen Jahren Fifa 98 auf der Playstation gegeben haben. Es ist längst nicht mehr repräsentativ und verkennt die Qualitäten des Computerspielens.

Zuvörderst ist es der Teamgeist, der groß geschrieben wird bei E-Sportlern. In vielen Wettkämpfen muss man gemeinsam Strategien entwickeln und sehr schnell handeln, denn das Spiel kann sich innerhalb von wenigen Sekunden drehen. Aus dem laufenden Spiel kann man nicht mal eben aussteigen. Spiele, die in der Regel eine Stunde dauern, erfordern ständige Konzentration und eine stark ausgeprägte Augen-Hand-Koordination, insbesondere, wenn man die PC-Tastatur bedienen muss.

Es sind aber auch die sogenannten Soft Skills, die beim Zocken den Unterschied machen. Spieler müssen gut kommunizieren und mit Stress umgehen können. Beim E-Sport ist es egal, wer mitspielt. Auch Menschen mit Behinderung dürfen und können barrierefrei mitspielen. Zocker lernen schnell Englisch, weil das die Amtssprache der E-Sportler ist.

Große Sportvereine wie der VFL-Wolfsburg verfügen schon über eine eigene E-Sport-Abteilung. Dass E-Sport kapitalistischer und umweltschädlicher als der analoge Sport sein soll, ist nicht endgültig nachgewiesen. Auf die Einnahmen im analogen Sport durch den internationalen Fußballverband Fifa wollen wir mal nicht zu sprechen kommen. Wenn man so will, ist Spitzensport immer kapitalistisch und umweltschädlich.

Sponsoren, Agenturen, Medien- und Beratungsagenturen sind längst in das E-Sport-Geschäft eingestiegen – wie dumm wäre die Politik, diesen Bereich nicht auch zivilisieren zu wollen und Sportvereine zu subventionieren, um sich hinterher mit den positiven Ergebnissen zu rühmen?

Am Ende könnten wir ja herausfinden, dass Computerspiele die Medien- und Problemlösungskompetenz stärken. Eine Politik, die das mangelnde Interesse an Mathematik und Informatik unter den Schülern beklagt, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die jüngere Generation im Umgang mit technischem Gerät zu trainieren. Lasst uns E-Sport nicht nur als zweckfreies Tun abhaken, erkennen wir lieber seinen Nutzen und fördern wir ihn, auch politisch!

***

Nein, sagt Benno Schirrmeister

Daddeln als Sport zu bezeichnen, wäre absurd. Klar macht Spaß, es macht auch hungrig und ist anstrengend. Weiß ich. Ich habe selbst schon Nächte irgendwelche Fifa-Football-Turniere durchgezockt, und war am nächsten Tag so benebelt und ausgepowert wie früher nach einem Langstreckenschwimmen. Und selbstverständlich kann man Videospiele auch als Sport bezeichnen: Die Definition ist so schwammig, dass jedes Brettspiel die entscheidenden Kriterien erfüllen würde.

Spätestens als Schach 2013 kurz mal kein Sport und dann doch wieder einer war, wurde klar: Hier geht’s nur um eine Setzung: Auch Kochen könnte zum Sport erklärt werden mit Disziplinen wie 400-Liter-Freistilsuppe und Highspeed Mousse-Aufschlagen.

Aber darum geht’s selbstverständlich nicht: Es geht darum, ob der Staat eine milliardenschwere Industrie, die bis jetzt ganz gut ohne Beihilfen wächst und gedeiht, subventionieren sollte. „Aber sicher!“, rufen im gerade noch finanziell sanierungsbedürftigen Schleswig-Holstein die Abgeordneten von – ausgerechnet! – der marktradikalen FDP, von der CDU und von der SSW. Begünstigen wir den deutschen Absatzmarkt von Nintendo, Electronic Arts und von vielen multinationalen Konzerne steuerlich, denn da können sie selbst nicht tricksen! Sie haben es verdient! Und zur treibenden Kraft dieser Quatsch-Initiative macht sich der Grüne Rasmus Andresen.

Das ist angesichts der umweltpolitischen Akzentsetzung, der sich dessen Partei verpflichtet fühlen sollte, herausragend dumm, denn: Wahrscheinlich gibt es in der gesamten deutschen Politik derzeit keine Maßnahme, um dem Klima unmittelbarer ohne wirklichen Ertrag Schaden zuzufügen.

Denn der CO2-Ausstoß von E-Sport ist noch nicht sicher erfasst. Es lässt sich also nicht sagen, ob er viel größer ist als bei der Formel 1. Aber angesichts der sporadischen Evaluationen, die es dazu gibt, wird es diese Größenordung schon sein, gerade weil die E-Sport-Accessoires eher massentauglich sind als ein Rennbolide – und wie dieser jedes Jahr mindestens einmal neu gelauncht wird: Das Produzieren der Konsolen, der Download der Programme, und auch das Spielen schlucken massig Energie.

Und selbstredend hat der Supergrüne Rasmus Andresen nicht mal versucht, eine Ökostrom-Klausel zur Bedingung für die Gleichstellung von Rumdaddeln mit Rennen und Paddeln zu machen. Kleiner Trost: Die wäre spätestens vom Finanzgerichtshof kassiert worden, der dafür gesorgt hat, dass auch Motorsport als begünstigter Zweck gelten kann – weil er eben als Sport anerkannt worden ist.

Gesund ist beides nicht. Eine wahre Flut medizinischer Forschungsliteratur legt nahe, dass Computerzockerei krank macht an Auge, Rücken und Hormonspiegel. Es ist abwegig, etwas zu bezuschussen, das abgesehen von sicheren Arbeitsplätzen in Kyoto und Burnaby keinen gesellschaftlichen Profit verspricht, aber individuell und global Schaden verursacht. Fortschrittlich mag es wirken. Aber sich dem Fortschritt zu widersetzen, ist wichtig und sinnvoll, wenn man am Abgrund steht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.