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Die vage Skizze einer linken Mitmach-Bewegung

Sahra Wagenknecht weiß, was sie mit „Aufstehen“ will: Druck auf SPD und Grüne machen und rechte Wähler zurückgewinnen. Ganz schön viel für eine Bewegung, die nur als Website existiert. Klar ist: Ganz viel ist unklar

Spitze einer Bewegung: Sahra Wagenknecht (rechts) zwischen Marco Bülow (SPD) und Ludger Volmer. Ganz links Simone Lange Foto: Stefan Boness/Ipon

Aus Berlin Stefan Reinecke

Ist Beyoncé da? Ryan Gosling? Lady Gaga? Drei Dutzend Fotografen drängeln, schubsen, rufen. Alle Kameras richten sich auf den Star. Wir sind nicht auf dem Lido in Venedig, nur vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz in Berlin. „Schauen Sie hierher, Frau Wagenknecht“, rufen die Fotografen. Wagenknecht, im weißen Kostüm, dreht sich knapp um und lächelt professionell.

Sie sitzt auf dem Podium, das die Bewegung „Aufstehen“ zwei Stunden lang der Hauptstadtpresse präsentiert. Mehr als 100.000 haben inzwischen online auf der Website Interesse bekundet. „Das Echo ist überwältigend. Das ist keine Bewegung von oben“, sagt Wagenknecht. Es gibt einen moderat gehaltenen Gründungsaufruf, ohne allzu steile Spitzen gegen Merkels Flüchtlingspolitik 2015 oder die SPD. Was das exakte Ziel der Bewegung wird, ist noch offen. Wie so manches.

Wagenknecht ist der Star und hat etwas, das in der deutschen Politik selten ist: Glamour. Den anderen Pol auf der Glamourskala markiert auf dem Podium Ludger Volmer, der vor Längerem mal ein Gesicht des linken Flügels der Grünen war. Er ist Mitte 60, trägt unverdrossen eine Günter-Netzer-Gedächtnis-Frisur, knittriges Jackett und könnte auch gerade von einer Asta-Sitzung kommen.

Zwischen Volmer und Wagenknecht sitzen der Dramaturg Bernd Stegemann und die Flensburger SPD-Oberbürgermeisterin Simone Lange (siehe Interview). Die Botschaft dieser Besetzung lautet: Rot-Rot-Grün. Alle drei Parteien sind vertreten, wenn auch mit unterschiedlichem Personal. Die Linkspartei mit der einflussreichen Fraktionschefin, die Grünen mit einem Ex-Politiker, der vor 13 Jahren seine Karriere beendet hatte, die SPD mit einer Kommunalpolitikerin. Die Unwucht ist unübersehbar.

Wagenknecht redet klar, druckreif ohne hm, äh oder fragendem Blick an die Decke. Sie ist die Strategin der Bewegung und verspricht sich zweierlei: „Aufstehen“ soll Druck auf SPD und Grüne machen und Ziele der Linkspartei – Umverteilung und mehr Geld für Abgehängte – stärken. Und zudem ein Angebot für zur AfD Abgewanderte sein. Wagenknecht will weg „von der exzessiven Debatte über Flüchtlinge“, hin zur Ungleichheit, die das Kernproblem sei.

Auch die BürgerInnen, die in Chemnitz an der Seite der Nazis auf die Straße gingen, hält sie für Abgehängte, die von der sozialen Kälte der Regierung ins rechte Lager getrieben worden seien. Die gelte es mit „Aufstehen“ zu gewinnen. Wie das mit Simone Lange, die sich für Seenotrettung engagiert und Politik sehr moralisch sieht, zusammenpasst, wird sich zeigen. Zur Partei soll die Bewegung nicht werden. Jedenfalls nicht bald. Das, so Wagenknecht sphinxhaft, „ist eine abstrakte Frage“.

Ludger Volmer ist vor allem dabei, weil er unter den Grünen leidet, die „ein liberal-konservatives Profil“ angenommen haben. Auffällig ist, dass manche Schriftsteller zu den Unterstützern zählen, wie der kluge Christoph Hein, Ingo Schulze und Eugen Ruge. Und verdiente Sozialdemokraten in Rente wie Rudolf Dressler und Christoph Zöpel. Von älteren Grünen hat neben Volmer nur Antje Vollmer unterschrieben. Offenbar schreckt der Name Wagenknecht im grünen Milieu noch mehr ab als im sozialdemokratischen.

Bernd Stegemann steuert die These bei, dass in Deutschland in Sachen Migration rechts das Ressentiment regiert, links Moralismus und es an rationalem Kalkül fehlt. Danach gibt er nur noch knapp Auskunft und möchte offenbar lieber nicht mehr gestört werden.

Bei der Bewegung sollen alle mitmachen und mitreden, so die Beteuerung. Die verblichene Basisdemokratie der Grünen wird lobend als Modell erwähnt. Volmer hält „eine rot-rot-grüne Regierung“ für das Ziel. Lange bekundet, die Bewegung nicht als SPD-Politikerin zu unterstützen, sondern als Mutter, die sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgt.

„Wir sind kein Debattierclub“, sagt Wagenknecht. Aber irgendwie derzeit doch. Wo das Geld herkommt? Noch unklar. Hauptamtliche Bezahlte, die den Laden organisieren? Noch unklar. Eine Koordinierungsgruppe, die Initiativen vor Ort fördert? Dito.

Was wird „Aufstehen“? „Ich bin kein Hellseher“, sagt der SPD-Abgeordnete Marco Bülow, der am Dienstag in seinem Wahlkreis in Dortmund ist und mit „Aufstehen“ sympathisiert. Viel hänge davon ab, ob sich kreative regionale Gruppen bilden. „Die Basis“, so der SPD-Linke zur taz, „hat Lust mitzumachen.“

Die Themen müssten allerdings von unten nach oben fließen – nicht umgekehrt. Es gebe schon erste kleine Erfolge. „Sogar Lars Klingbeil [der SPD-Generalsekretär, A. d. R.] muss positiv über Rot-Rot-Grün reden“, so Bülow. Wenn die SPD-Spitze „Aufstehen“ in Bausch und Bogen verurteile, wirke das hingegen eher umgekehrt „Je mehr die SPD beißt, desto besser für die Bewegung“, glaubt Bülow.

Es ist nicht leicht, Ziele, Mittel, Reichweiten von „Aufstehen“ zu beurteilen. Das Ganze ist ein digitaler Scheck, den man vielleicht analog einlösen kann. Sahra Wagenknecht, neuerdings frisch überzeugte Anhängerin der Basisdemokratie, wehrt sich dagegen, dass „wir in Schubladen gesteckt werden“. Zu Recht. Metaphorisch gesehen ist „Aufstehen“ kein Schrank mit Schubladen, eher die vage Skizze eines Schranks, der vielleicht groß, vielleicht klein, vielleicht gerade, vielleicht schief wird.

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