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Endlich ist wieder Ruhe!

Mit Axel Witsel kommt Borussia Dortmund dem gewünschten Mentalitätswandel schon sehr nahe

„Natürlicher Anführer“: Witsel feierst seinen Treffer Foto: reuters

Aus DortmundDaniel Theweleit

Es war geradezu grotesk, wie häufig der Begriff „Ruhe“ in den Analysen nach dem Fußballspektakel auftauchte, zu dem diese letzte Partie des ersten Spieltages der neuen Bundesligasaison sich am Sonntagabend entwickelt hatte. Mit 4:1 (3:1) hatte der BVB RB Leipzig besiegt, das Publikum hatte eine rasante Fußballshow erlebt. Doch als es um Axel Witsel ging, mochte niemand auf dieses eine Wort verzichten, das so gar nicht zu diesem rasenden Spiel passte: „Er bringt uns Ruhe im Spielaufbau“, sagte Trainer Lucien Favre, auch Marco Reus lobte Witsels „Ruhe im Mittelfeld“, und Thomas Delaney erklärte: „Axel ist der, der Ruhe am Ball hat, ich bin gerne überall und laufe viel.“

Witsels unglaublich entspannt wirkende Präsenz war tatsächlich imposant. Mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit avancierte der Belgier nach nur zwei Trainingswochen gleich im ersten Bundesligaspiel zu dem natürlichen Anführer, der dem BVB in den vergangenen Jahren so gefehlt hat. „Er bringt Charakter“, sagte Reus und Witsel selbst konnte sein Glück kaum fassen: „Es war verrückt. Verrückt, aber auch großartig.“

In Belgien rufen sie den 29-Jährigen schon lange mit dem Kosenamen „Chaloupe“ (kleines Boot), weil die Spielweise des Routiniers an die Gemächlichkeit einer Schaluppe erinnert. In diesem wilden Spiel gegen die Leipziger war das ein sehr kostbarer Aspekt beim Bekämpfen des Chaos, das die Leipziger immer wieder in der BVB-Hälfte verursachten. Zumal Witsel seine großartige Leistung auch noch mit einem sehenswerten Fallrückzieher zum vorentscheidenden 3:1 kurz vor der Halbzeit krönte. Schon im Pokal in Fürth war ihm ja ein sehr wichtiger Treffer gelungen.

Dass der Neuzugang derart gut funktioniert, ist eine kleine Sensation, schließlich hat Witsel noch nie in einer großen Liga gespielt; fünf Jahren bei Standard Lüttich in Belgien folgten Stationen bei Benfica Lissabon, Zenit St. Petersburg und Tianjin Quanjian in China.

Zwar hat er eine gute WM gespielt, aber dass ein Profi mit solch einer Biografie ohne Anlaufzeit eine derart dominante Rolle bei einem Top-Ten-Klub der Champions League einnehmen würde, ist überraschend. Und das beglückte natürlich auch Lucien Favre, dessen Freude allerdings irgendwann einem nüchterneren Blick wich. „Leipzig war besser“, resümierte der Detailtüftler und monierte, dass sein Team den Spielaufbau „viel breiter“ anlegen müsse. Außerdem fand er, dass das gesamte Kollektiv „nicht gut verteidigt“ hatte, und dass der Gegner „schneller in den Zweikämpfen“ war. Und dennoch war dieser Fußballabend nicht nur aufgrund des Ergebnisses und der Witsel-Show voller positiver Erkenntnisse.

Der BVB soll ja wehrhafter werden, die Mentalität soll sich ändern, das scheint mit Witsel und dem ebenfalls überzeugenden Thomas Delaney im Zentrum zu gelingen. Und nicht zuletzt trug auch der seit Jahren umstrittene Torhüter Roman Bürki mit mehreren prächtigen Rettungsaktionen viel zu diesem Sieg bei.

Die Schwachstellen der Vergangenheit scheinen erfolgreich bekämpft worden zu sein. Man nahm schon wieder diese tiefen Gefühle im Stadion wahr, die den BVB so besonders machen. „Le mur jaune“, die gelbe Wand, von der Favre in den vergangenen Wochen bewundernd gesprochen hat, sendete Botschaften tiefer Zuneigung an diese neu geformte Mannschaft und ihren Trainer.

Zum vollkommenen Spätsommerglück fehlt jetzt nur noch eine Vollzugsmeldung vom Transfermarkt. Wenn die Berichte aus Spanien stimmen, dann leihen die Dortmunder den spanischen Nationalspieler Paco Alcácer vom FC Barcelona aus, angeblich mit einer Kaufoption über 26 Millionen Euro im kommenden Sommer.

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