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Gute Pimmelwitze gehen immer

Beim Sommerfest des Literarischen Colloquiums Berlin (LCB) mit den Verlagen Kiepenheuer & Witsch sowie Galiani sprachen Maxim Biller und Anti-Biller Sven Regener übers Schreiben und wie viel Denken ihm guttut

Von Jan Jekal

Es ist sehr voll bei Maxim Biller, nur am Abhang ist noch etwas frei. Die Terrasse der Villa am Großen Wannsee steht voller besetzter Stuhlreihen, selbst die den Hügel hochführenden Serpentinen sind gesäumt vom Publikum. Hier am Abhang muss man aufpassen, das Gleichgewicht nicht zu verlieren; eine Dame geht heldenhaft, mit Weißweinglas in der einen Hand und der Leine des Terriermischlings in der anderen, auf direktem Wege nach unten, von Wespen umschwirrt. Biller spricht, im Rahmen des Sommerfests, das Kiepenheuer & Witsch und Tochterverlag Galiani mit dem Literarischen Colloquium Berlin ausrichten, über sein neues Buch „Sechs Koffer“.

Biller gegenüber, auf einer kleinen Bühne, sitzt Jörg Tha­deusz, und die beiden haben so etwas wie die Simulation von Reibung perfektioniert. Zuerst sagt Biller Sätze wie „Man sollte beim Schreiben nicht denken“, gutes Schreiben sei eine Mischung aus Intuition und Handwerk, Konzeptionelles sei immer gefährlich. Das leuchtet schon alles ein, und um dem Ganzen dann den Hauch eines Streitgesprächs zu geben, erklärt Thadeusz Billers Sätze durch sein ungläubiges Nachfragen zur literarischen Provokation: „Beim Schreiben nicht denken? Das glaube ich nicht!“ Er macht seine Sache gut, und Biller macht seine Sache auch gut; er gibt den Künstler, der, in eigenen Worten, „nicht auf ein Podest gestellt werden möchte“. Er sagt an einem Punkt: „Ich habe die Frage echt nicht verstanden“, und dafür gibt es Applaus, denn niemand hat die Frage verstanden. Vergleiche mit Philip Roth weist er zurück, denn den findet er gar nicht so gut.

Vom Wannsee zieht der Wind über das Anwesen durch das alte Gebäude. Es ist der erste kalte Tag in langer Zeit. Der unruhige See ist stahlfarben, der Himmel dunkel, und doch kommt die Sonne manchmal durch, dann strahlt der See. Es riecht nach Waldmeister. Wohl niemand, dessen Lebensunterhalt nicht vom Literaturbetrieb abhängt, ist hier. Ich meine eine Menge Leute zu erkennen, wenn ich mir nicht sicher bin, verifiziere ich meine Vermutung via Bildvergleich bei Wikipedia. Bei einigen weiß ich gar nicht, woher ich weiß, wie sie aussehen, aber sie sind es dann meistens. Einmal glaube ich, Jonathan Franzen zu sehen, aber es ist nur ein Mann mit dunklem Hemd und Hornbrille.

Zu faul für neue Namen

Sven Regener am Abend ist dann so etwas wie der Anti-Biller, wobei er im Grund das Gleiche sagt, nur eben auf andere Art. Er gibt sich zum Beispiel keine Mühe, so zu tun, als würde es ihm keinen großen Spaß machen, auf einer Bühne zu sitzen und dar­über zu sprechen. Seinen vom Moderator so benannten „literarischen Kosmos Proust’schen Ausmaßes“ erklärt Regener so, dass er einfach zu faul dafür sei, sich neue Namen auszudenken und deshalb immer auf die alten zurückkomme; zudem schreibe man letztendlich ja immer irgendwie über sich selbst. Aber es klingt schon ziemlich nach der Biller’schen Formel von Intuition plus Handwerk. Über das alte Westberlin spricht Regener auch, natürlich. „Das ist jetzt Kunst, weil wir sagen, das ist Kunst“, so war die Haltung damals. Er erzählt, dass es hin und wieder passierte, dass er mit seiner Trompete spontan bei Auftritten von befreundeten Künstlern mitspielte und dann mehr oder weniger improvisierte. „Das kam auch gar nicht gut an“, sagt er, „aber das war egal!“ Er liest dann noch eine sehr lustige Passage aus seinem Roman „Wiener Straße“, mit welcher er eindrucksvoll demonstriert, dass gute Pimmelwitze immer gehen, auch in der Villa des Literarischen Colloquiums Berlin.

Unten am Wasser wird die Bühne gerade nicht benutzt. Sie ist beleuchtet, und Kinder machen Kunststücke und Fotos.

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